Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit von Leistungskürzungen nach § 1a AsylbLG
Orientierungssatz
Das Gericht hält es im vorläufigen Rechtsschutzverfahren trotz der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, Beschluss vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05; NVWZ 2005, 927, grundsätzlich für rechtlich zulässig, weiterhin Leistungskürzungen nach § 1 a AsylbLG durchzuführen (Entgegen: SG Altenburg, Beschluss vom 11. Oktober 2012, S 21 AY 3362/12 ER, Anschluss: LSG Erfurt, Beschluss vom 17. Januar 2013, L 8 AY 1801/12 B ER, Entgegen: SG Düsseldorf, Beschluss vom 19. November 2012, S 17 AY 81/12 ER, SG Lüneburg, Beschluss vom 13. Dezember 2012, S 26 AY 26/112 ER, LSG Berlin-Potsdam, Beschluss vom 06. Februar 2013, L 15 AY 2/13 B ER).
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller sind nicht erstattungsfähig.
Gründe
Der Antrag der Antragsteller,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen für die Zeit ab Eingang dieses Antrags bei Gericht bis zum Ende des Monats der gerichtlichen Entscheidung Leistungen nach § 3 AsylbLG nach Maßgabe des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 18.07.2012 (1 BvL 10/10 bzw. 2/11) unter Anrechnung der bisher erbrachten gekürzten Leistungen zu gewähren,
hat keinen Erfolg.
Gem. § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Danach setzt der Erlass einer einstweiligen Anordnung voraus, dass der geltend gemachte Hilfeanspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit einer vorläufigen Entscheidung des Gerichts über diesen Hilfeanspruch (Anordnungsgrund) dargelegt und glaubhaft gemacht werden.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Notwendigkeit einer einstweiligen Anordnung besteht bzw. ob den Antragstellern ein Abwarten der Entscheidung in ihrem Hauptsacheverfahren (S 12 AY 99/12) vor dem Hintergrund zumutbar ist, dass die Antragsgegnerin die Leistungen der Antragsteller lediglich um bis zu ca. 19 % gekürzt hat.
Jedenfalls steht den Antragstellern die begehrte Leistung nicht zu. Die Leistungskürzung der Antragsgegnerin ist nach bisherigen Sach- und Streitstand rechtmäßig.
Denn die Voraussetzungen des § 1 a Nr. 1 AsylbLG liegen im Falle der Antragsteller vor. Nach dieser Regelung erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 (geduldete und vollziehbar ausreisepflichtige Antragsteller) sowie ihre Familienangehörigen nach § 1 Abs. 1 Nr. 6, die sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben haben, um Leistungen nach diesem Gesetz zu langen, Leistungen nach diesem Gesetz nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist. Die Antragsteller gehören dem genannten Personenkreis an, weil sie lediglich über Duldungen verfügen. Sie sind ferner nach eigenem Vorbringen im Verwaltungsverfahren ausschließlich deshalb in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, weil sie hier Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts in Anspruch nehmen wollten. Der Einreiseentschluss war nach Aktenlage damit eindeutig von wirtschaftlichen Interessen geprägt. Die Antragsteller haben in diesem Verfahren die deshalb nach Aktenlage berechtigte Annahme der Antragsgegnerin, prägend für den Einreiseentschluss der Antragsteller sei gewesen, dass diese hier staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen wollten, auch nicht angegriffen.
Das Gericht hält es trotz der im Antrag zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich für rechtlich zulässig, weiterhin Leistungskürzungen nach § 1 a AsylbLG durchzuführen. Es teilt die Auffassung des Sozialgerichts Altenburg, Beschluss vom 11.10.2012, S 21 AY 3362/12 ER (der mittlerweile durch Beschluss des LSG Thüringen vom 17.01.2013, L 8 AY 1801/12 B ER aufgehoben wurde), des Sozialgerichts Düsseldorf, Beschluss vom 19.11.2012, S 17 AY 81/12 ER, des Sozialgerichts Lüneburg, 13.12.2012, S 26 AY 26/112 ER, und des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.02.2013, L 15 AY 2/13 B ER nicht.
Das Bundesverfassungsgericht äußert sich in seiner Entscheidung nicht zur Regelung des § 1 a AsylbLG. Insbesondere macht es in seiner Entscheidung nicht deutlich, dass Leistungskürzungen nach § 1 a AsylbLG in Ausführung seiner Entscheidung nicht mehr rechtlich zulässig wären.
Zuzugestehen ist aber, dass das Bundesverfassungsgerichts in Randziffer 121 seines Urteils ausführt: "Migrationspolitische Erwägungen, die Leistungen an Ausländer und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden, können von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen." Diese Ausführungen sind ebenso wie die in dem o.g. Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg zitierten Ausführungen des Bundesverfassungsgeric...