Entscheidungsstichwort (Thema)
Einschränkende Auslegung des § 1 a Nr 1 AsylbLG
Orientierungssatz
1. Es ist bereits diskussionswürdig, ob § 1 a Nr. 1 AsylbLG unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht dahingehend ausgelegt werden muss, dass diese Regelung über eine bestimmte Dauer des Aufenthalts in der Bundesrepublik bzw. des Kürzungszeitraums hinaus in verfassungskonformer Auslegung nicht anwendbar ist.
2. Da § 1 a Nr. 1 AsylbLG eine Sanktionsvorschrift ist, mag die Kürzung hinnehmbar sein, solange die Betroffenen aus von ihnen zu vertretenden Gründen nicht abgeschoben werden können bzw. solange sie zumindest freiwillig ausreisen können.
3. § 1 a Nr. 1 AsylbLG erfasst allerdings auch Ausländer, die aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen in der Bundesrepublik Deutschland bleiben. In diesen Fällen sind Leistungskürzungen nicht mehr verhältnismäßig.
Tenor
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig für die Zeit ab Eingang des Antrags bei Gericht am 28.01.2013 bis zum 31.03.2013 Leistungen gem. § 3 Abs. 1 und 2 AsylbLG unter Anrechnung der bislang gewährten Leistungen in ungekürzter Höhe zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu 1/6.
Gründe
Der Antrag der Antragsteller,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen bis zum Abschluss ihres Klageverfahrens (S 12 AY 14/13) ungekürzte Leistungen gem. § 3 AsylbLG zu gewähren,
hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Gem. § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Danach setzt der Erlass einer einstweiligen Anordnung voraus, dass der geltend gemachte Hilfeanspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit einer vorläufigen Entscheidung des Gerichts über diesen Hilfeanspruch (Anordnungsgrund) dargelegt und glaubhaft gemacht werden.
Soweit es den Antragstellern um die zeitlich unbegrenzte Gewährung ungekürzter Leistungen gem. § 3 AsylbLG geht, fehlt es an der Erforderlichkeit einer einstweiligen Regelungsanordnung. Denn zum einen haben die Antragsteller die Möglichkeit, jederzeit wieder einen Antrag auf die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu stellen, sollte die Antragsgegnerin nach Ablauf des Monats März 2013 den Antragstellern wiederum gekürzte Leistungen gewähren. Zum anderen ist derzeit überhaupt nicht absehbar, ob die Antragsteller bis zum Abschluss des Klageverfahrens noch hilfebedürftig sein werden, bzw. wie lange ihre Hilfebedürftigkeit anhält.
Im Übrigen liegen die Voraussetzungen für den Erlass der beantragten Regelungsanordnung vor. Rechtsgrundlage für die Kürzungen der Leistungen der Antragsteller ist die Regelung des § 1 a Nr. 1 AsylbLG. Danach erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 (geduldete und vollziehbar ausreisepflichtige Antragsteller) sowie ihre Familienangehörigen nach § 1 Abs. 1 Nr. 6, die sich in den Geltungsbereich dieses Gesetzes begeben haben, um Leistungen nach diesem Gesetz zu erlangen, Leistungen nach diesem Gesetz nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist. Die Antragsteller gehören dem genannten Personenkreis an, weil sie lediglich über Duldungen verfügen.
Nach derzeitigem Akteninhalt geht das Gericht auch davon aus, dass prägend für die Wiedereinreise der Antragsteller und ihrer Familienangehörigen die Absicht war, hier staatliche Unterstützungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Die Antragsteller kehrten Anfang Dezember 2003 nach einem ca. 4-monatigen Aufenthalt in Frankreich wieder in die Bundesrepublik Deutschland zurück, um hier staatliche Unterstützungsleistungen in Anspruch zu nehmen. So gaben die Antragsteller nach ihrer Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland, nachdem sie zunächst behauptet hatten, sich zwischenzeitlich in Jugoslawien aufgehalten zu haben, an, sie seien in Frankreich gewesen. Sie seien von dort zurückgekehrt, weil die Verhältnisse in Deutschland wesentlich besser als in Frankreich seien. Die Zustände im Wohnheim seien sehr schlecht gewesen. Sie hätten auch nur im letzten Monat ihres Aufenthalts pro erwachsene Person 200 EUR bekommen. Mit ihrer Antragsschrift bestätigen die Antragsteller dieses Vorbingen. Denn darin führen sie aus, sie hätten in Frankreich "keine Perspektive" gehabt, ihnen sei faktisch insbesondere der Zugang zur medizinischen Versorgung verwehrt geblieben. Auf eine solche Versorgung sei aber insbesondere der Sohn des Antragstellers zu 1. I., dem mittlerweile eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erteilt wurde, angewiesen gewesen.
Ausgehend hiervon liegen im Fall der Antragsteller nach dem Wortlaut des § 1 a Nr. 1 AsylbLG die Voraussetzungen der Beschränkung der Leistungen auf das unabw...