Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Einpersonenhaushalt in Münster in Nordrhein-Westfalen. Erhöhung der Unterkunftskosten nach nicht erforderlichem Umzug. Begrenzung auf die bisherigen angemessenen Unterkunftskosten. keine Notwendigkeit des Umzugs aufgrund medizinischer Gründe und der Wohnsituation in einem Stadtteil mit sozialem Brennpunkt. keine No-Go-Areas in Münster
Orientierungssatz
1. Zur Rechtmäßigkeit der Begrenzung der Unterkunftskosten gemäß § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 nach umzugsbedingter Erhöhung der Unterkunftskosten, wenn weder ausreichende medizinische noch ausreichende soziale Gründe den Umzug erforderlich gemacht haben.
2. Der Umzug eines Leistungsberechtigten aus einem Stadtteil der Stadt Münster mit sogenanntem sozialen Brennpunkt durch erhöhte Kriminalität und eine problematische Bevölkerungsstruktur, kann die Erforderlichkeit des Umzugs nicht begründen, da es in Münster keine sogenannten No-Go-Areas gibt und ein angemessenes und menschenwürdiges Wohnen - zumindest dem Grunde nach - in jedem Stadtteil und Straßenzug gewährleistet ist.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der der Klägerin in der Zeit vom 01.04.2016 bis zum 30.09.2016 zustehenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) in Gestalt des Arbeitslosengeldes II gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 19 a Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I).
Die Klägerin, geboren am 00.00.1966, bezieht von der Beklagten seit mehreren Jahren unter Anrechnung einer von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung Arbeitslosengeld II. Sie leidet u.a. an einer Fibromyalgie mit zusätzlicher Depression. Darüber hinaus sind bei ihr eine degenerative Veränderung der Halswirbelsäule mit Belastungseinschränkungen sowie eine retropatellare Chondromalazie diagnostiziert. Sie bewohnte seit den frühen 2000er Jahren bis zum 31.07.2015 eine Wohnung in dem Gebäudekomplex "A.S.C.00" in N ... Dieser stellt einen landläufig sog. sozialen Brennpunkt in der Stadt N. dar. Seit mehreren Jahren kommt es dort jedenfalls zu vermehrten Polizeieinsätzen u.a. wegen Ruhestörungen und Sachbeschädigungen. Es werden (illegale) Drogen sowohl konsumiert als auch an- und verkauft. Die Polizei N. wird darüber hinaus in regelmäßigen Abständen wegen angezeigter Körperverletzungsdelikte vorstellig. Die Klägerin selbst ist jedoch in der Zeit bis Juli 2015 kein Opfer einer Körperverletzung geworden.
Am 08.05.2015 beantragte sie bei der Beklagten die Erteilung der Zustimmung zum Wohnungswechsel. Ihr Bruder habe in der "E. Straße 00" ein Haus gekauft und betreibe dort eine Fahrradwerkstatt. Sie beabsichtige, dort gemeinsam mit einem Mitbewohner eine Wohnung anzumieten und zu beziehen. Die übersteigenden Kosten im Verhältnis zur bisher bewohnten Wohnung beliefen sich auf ca. 54,00 Euro pro Monat. Dieses Ansinnen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2015 bestandskräftig ab.
Zum 01.08.2015 zog die Klägerin gemeinsam mit einem Mitbewohner in die avisierte Wohnung ("E. Straße 00") ein, in der beide bis heute noch leben.
Mit Bescheid vom 15.03.2016 bewilligte die Beklagte der Klägerin auf der Grundlage von § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in der damals geltenden Fassung in Verbindung mit § 328 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III) vorläufig Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.04.2016 bis zum 30.06.2016. Dabei legte sie im Rahmen des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II die bisherigen Miet- und Nebenkosten der Wohnung "A.S.C.00" zugrunde und kürzte die zu übernehmenden Kosten der Unterkunft und Heizung um 54,00 Euro monatlich. Dagegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 11.04.2016 Widerspruch.
Unter dem 27.04.2016 beantragte sie darüber hinaus die Übernahme der Mietkaution für die Wohnung "E. Straße 00". Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.05.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.07.2016 ab. Die dagegen erhobene Klage nahm die Klägerin nach Ablehnung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss des Sozialgerichts (SG) Münster vom 03.01.2017 zurück (Az.: S 11 AS 585/16).
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.2016 wies die Beklagte den Widerspruch vom 11.04.2016 gegen den Bescheid vom 15.03.2016 zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 18.08.2016 Klage erhoben. Sie habe sowohl aus sozialen als auch aus gesundheitlichen Gründen die Wohnung "A.S.C.00" verlassen müssen. Ein weiterer Verbleib in diesem Gebäudekomplex sei unzumutbar gewesen.
Mit Bescheid vom 27.01.2017 hat die Beklagte das Arbeitslosengeld II der Klägerin für die Zeit vom 01.04.2016 bis zum 30.09.2016 endgültig festgesetzt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.03.2016 in der Gestalt des Wi...