Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Guthaben aus Betriebskostenabrechnung. keine Einkommensberücksichtigung. Verfügungsbefugnis. Insolvenzverwalter. Aufrechnung. keine analoge Anwendung des § 54 Abs 4 SGB 1
Leitsatz (amtlich)
Keine "Gutschrift" eines Guthabens aus Betriebskostenabrechnung bei Aufrechnung des Vermieters mit eigenen Forderungen gegen den Hilfebedürftigen und Einzug durch Insolvenzverwalter.
Orientierungssatz
1. Der Entscheidung des SG Berlin vom 31.10.2007 - S 125 AS 11847/07, der zwar eine andere Fallkonstellation zugrunde gelegen hat, die mit der vorliegenden nicht vergleichbar ist, weil der Vermieter hier das Guthaben an den Insolvenzverwalter überwiesen hat, ohne dass der Hilfebedürftige hierauf Einfluss nehmen konnte, kann nicht gefolgt werden, weil sie sich weder mit dem Wortlaut des § 38 InsO noch mit dem geltenden Zuflussprinzip in Einklang bringen lässt.
2. Gegen eine analoge Anwendung der Pfändungsvorschrift des § 54 Abs 4 SGB 1 spricht, dass bereits die Voraussetzungen einer Analogie nicht vorliegen, weil weder eine vergleichbare Interessenlage besteht noch eine planwidrige Regelungslücke existiert (entgegen LG Berlin vom 29.9.2008 - 86 T 497/08). Denn es handelt sich bei einem "Guthaben aus Betriebskostenabrechnung" nicht um Einkommen iS des § 11 Abs 1 S 1 SGB 2, sondern nach der Gesetzessystematik um zurückgeflossene überzahlte bzw nicht verbrauchte Unterkunftskosten nach § 22 Abs 1 S 1 SGB 2, sofern der Hilfebedürftige bereits im Abrechnungsjahr Grundleistungen einschließlich der Unterkunftskosten erhalten hat.
Tenor
1. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 06.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.07.2008 sowie der Änderungsbescheid vom 06.12.2007 werden aufgehoben.
2. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 06.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.07.2008 ( Bl. 218 Leistungsakten (LA)).
Der Kläger erhält Grundleistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 24.05.2007 (vgl. Bl. 101 LA) wurden dem Kläger o.g. Leistungen für die Zeit vom 01.07.2007 bis 31.12.2007 in Höhe von monatlich 579,17 EUR bewilligt. Mit dem Bescheid vom 07.11.2007 (vgl. Bl. 134 LA) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.01.2008 (vgl. Bl. 175 LA) wurden die Leistungen aufgrund der bestandskräftigen Sanktionsentscheidung für den Zeitraum 01.12.2007 bis 29.02.2008 um 104,00 EUR gemindert und die vorausgegangene Bewilligung insoweit aufgehoben.
Mit Bescheid vom 06.12.2007 (Bl. 160 LA) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.07.2008 ( Bl. 222 LA) hob die Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Kläger für den Zeitraum vom 01.08.2007 bis zum 31.12.2007 teilweise auf und forderte die Erstattung von 305,22 EUR. Zur Begründung gab die Beklagte im Wesentlichen an, dass sich aus der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2006 vom 20.06.2007 (vgl. Bl. 139 LA) ein Guthaben in Höhe von insgesamt 265,63 EUR ergeben habe. In der Betriebskostenabrechnung wird u.a. Folgendes ausgeführt: " ... Die aufgeführte Verrechnung bzw. Auszahlung des Guthabens hat für Sie nur eingeschränkte Gültigkeit, da Ihr Mietenkonto einen Rückstand ausweist. Erst nach Tilgung dieser Rückstände kann das noch verbleibende Guthaben auf die laufende Miete angerechnet, bzw. bei bereits erfolgtem Auszug überwiesen werden... Das Mieterkonto weist per 20.06.2007 einen Rückstand von 30,28 EUR aus..."
Laut der o.g Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2006 beläuft sich die Gesamtmiete ab dem 01.08.2007 auf 223,42 EUR (vgl. Bl. 143 und 168 LA). Darin ist eine Vorauszahlung für Heizung / Warmwasser in Höhe von 20,-- EUR enthalten. Von diesem Betrag hat die Beklagte 6,26 EUR (Anteil für Warmwasserbereitung) abgezogen und Kosten der Unterkunft in Höhe von 217,16 EUR berechnet (vgl. Seite 3, vorletzter Absatz des Widerspruchsbescheids). Der Beklagten ist die vorgenannte Betriebskostenabrechnung erst seit dem 27.11.2007 bekannt (vgl. Posteingangsstempel Bl. 139 LA). Mit dem Bescheid vom 24.05.2007 hatte die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 01.07.07 bis 31.12.07 zunächst monatlich Leistungen bezogen auf die Kosten der Unterkunft in Höhe von 232,17 EUR bewilligt. Daraus ergab sich eine überzahlte Miete in Höhe von 75,-- EUR für den Zeitraum vom August bis Dezember 2007, welche zusätzlich von der Vermieterin des Klägers zurückgefordert wurde (vgl. Bl. 181 LA), die den vorgenannten Betrag auch zurückzahlte. Dem Kläger wurde nachfolgend mit einfachem Schreiben vom 17.03.2008 mitgeteilt, dass er "vom Erstattungsbetrag in Höhe von 305,22 EUR 75,00 EUR weniger selber zurückzahlen" müsse (vgl. Bl. 189 LA).
Am 06.12.2007 erließ die Beklagte einen Änderungsbescheid für den Zeitraum August 2007 bis Dezember 2007 (Bl. 157 LA), auf dessen Inhalt verwiesen wird.
Der Kläger ist der Ansicht, er ...