Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Krankenversicherung: Kostenerstattungsanspruch für selbstbeschaffte Behandlungsleistungen. Erstattungsfähigkeit von Kosten für die ambulante Behandlung einer Stammveneninsuffizienz mit einem bisher nicht vom Gemeinsamen Bundesausschusses zugelassenen Behandlungsverfahren
Orientierungssatz
Die gesetzliche Krankenkasse muss nicht die Kosten für ein neues, noch nicht vom Gemeinsamen Bundesausschusses zur Versorgung in der Gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenes Verfahren zur Behandlung einer Stammveneninsuffizienz (hier: VNUS-Closure®-Verfahren) übernehmen, da im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen zur Behandlung geeignete Standardtherapiemaßnahmen zur Verfügung stehen. Dabei kann eine solche Stammveneninsuffizienz auch nicht als lebensbedrohlich verlaufende Krankheit angesehen werden, die ausnahmsweise den Einsatz von Behandlungsmethoden auch außerhalb des Katalogs der vom Gemeinsamen Bundesausschusses zugelassenen Verfahren rechtfertigen würde.
Tenor
Die Klagen werden abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für eine zwischenzeitlich durchgeführte ambulante Behandlung einer Stammveneninsuffizienz mittels des VNUS-Closure®-Verfahrens. Hierbei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem Krampfadern mit einem Hochfrequenz-Katheter, der Wärmeenergie abgibt und hierdurch zu einem Verschluss der Vene führt, verödet werden.
Die im April 1947 geborene bei der Beklagten versicherte Klägerin beantragte mit Schreiben vom 06. September 2014 befundgestützt die Übernahme der Kosten für eine Behandlung mit dem VNUS-Closure®-Verfahren am linken Bein. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit sozialverwaltungsbehördlicher Verfügung vom 11. September 2014. Zur Begründung verwies sie darauf, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die in Rede stehende Methode nicht anerkannt habe, weil deren Wirksamkeit nicht durch eindeutige wissenschaftliche Studien bewiesen sei. Den hiergegen mit Schreiben vom 16. September 2014 erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte nach Einholung eines sozialmedizinischen Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen Berlin-Brandenburg e. V. vom 23. Oktober 2014 mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2015 als unbegründet zurück. Zur Begründung hob sie erneut hervor, dass der Gemeinsame Bundesausschuss für die Behandlung mit dem VNUS-Closure®-Verfahren, die außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung erbracht werde, noch keine positive Empfehlung ausgesprochen habe, weshalb die gesetzlichen Krankenkassen hierfür entstandene Behandlungskosten nicht übernehmen dürften.
Mit Schriftsatz vom 20. April 2015 - bei dem Sozialgericht Neuruppin am 21. April 2015 eingegangen - hat die Klägerin bei dem erkennenden Gericht Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren auf Kostenerstattung für die im November 2015 zwischenzeitlich erfolgte Selbstbeschaffung der in Rede stehenden Venenbehandlung weiter verfolgt. Sie bringt im Wesentlichen vor, herkömmliche Behandlungsmethoden seien bei der Klägerin aufgrund ihrer überhöhten Blutungsneigungsgefahr und der notwendigen Medikamentenverabreichung mit Xarelto nicht anwendbar; eine andere als die hier streitgegenständliche Venenbehandlungsmethode sei aufgrund dieser Medikation lebensbedrohlich gewesen. Nach Auffassung der sie behandelnden Ärzte sei allein die streitgegenständliche Behandlung möglich und sinnvoll. Auch habe bei der Klägerin vor der Behandlung eine offene Stelle am Bein bestanden, die von allen behandelnden Ärzten als äußerst gesundheitsgefährdend eingeschätzt worden sei.
Die Klägerin beantragt (nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß zuletzt),
die Beklagte unter Aufhebung der mit dem Bescheid vom 11. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2015 verlautbarten ablehnenden sozialverwaltungsbehördlichen Verfügung zu verurteilen, ihr die bereits entstandenen Kosten für die Selbstbeschaffung der ambulanten Venenbehandlung mittels des VNUS-Closure®-Verfahrens in Höhe eines Betrages von 1.294,48 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Zur Begründung ihres Antrages verweist sie auf ihre Erwägungen im auch angegriffenen Widerspruchsbescheid vom 19. März 2015 und vertieft diese. Ergänzend fügt sie unter Bezugnahme auf ein während des sozialgerichtlichen Verfahrens eingeholtes weiteres sozialmedizinischen Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen Berlin-Brandenburg e. V. vom 31. März 2017 hinzu, auch die Voraussetzungen des § 2 Abs 1a SGB V lägen mangels lebensbedrohlicher Erkrankung offenkundig nicht vor, zumal in diesem Falle die Operation im stationären Setting hätte durchgeführt werden müssen.
Das Gericht hat den medizinischen Sachverhalt durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens des Facharztes für Chirurgie, Gefäßchirurgie (Zusatzbezeichnung Phlebologie) Dr. med....