Leitsatz (amtlich)
1) Für die Festsetzung der Vergütung des beigeordneten Rechtsanwaltes ist nach § 48 Abs. 4 Satz 1 RVG der Zeitpunkt der Beantragung der Prozesskostenhilfe maßgeblich, wenn vom Gericht nichts anderes bestimmt ist. Dabei begrenzt die Antragstellung den zeitlichen Rahmen und allenfalls die anwaltliche Tätigkeit, die zur Vorbereitung des PKH-Antrags verrichtet wurde, ist zu berücksichtigen.
2) Ein Beschluss zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe, der keine zeitliche Bestimmung enthält, kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass er Wirkung für die Zeit vor der Antragstellung bzw. Bewilligungsreife entfaltet. Generell ist eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung nur bei Vorliegen eines besonderen rechtfertigenden Grundes zulässig. Hierfür ist eine ausdrückliche Regelung im Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss erforderlich.
Tenor
1. Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers wird der Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 18. August 2022 - das sozialgerichtliche Verfahren S 14 AS 403/18 betreffend - abgeändert. Die aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung wird auf 1.759,95 EUR festgesetzt. Gezahlte Beträge werden angerechnet.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für das unter dem Aktenzeichen S 14 AS 403/18 beim Sozialgericht Nordhausen geführte Hauptsacheverfahren streitig.
Mit Beschluss vom 8. Dezember 2020 wurde den Klägern Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten bewilligt. Mit Vergütungsfestsetzungsantrag vom 21. Dezember 2020 macht der Bevollmächtigte die Erstattung folgender Gebühren geltend:
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Verfahrensgebühr einschließlich Gebührenerhöhung (2 Kläger) |
585,00 EUR |
Anrechnung Beratungsgebühr |
- 35,00 EUR |
Terminsgebühr |
405,00 EUR |
Einigungsgebühr |
450,00 EUR |
Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld |
92,20 EUR |
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
zuzüglich 16 v.H. Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG |
252,75 EUR |
Gesamtsumme: |
1.759,95 EUR |
Mit Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 18. August 2022 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütung wie folgt fest:
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Verfahrensgebühr einschließlich Gebührenerhöhung (2 Kläger) |
487,50 EUR |
Anrechnung Beratungsgebühr |
- 35,00 EUR |
Terminsgebühr |
375,00 EUR |
Erledigungsgebühr |
350,00 EUR |
Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld |
60,00 EUR |
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
zuzüglich 16 v.H. Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG |
238,93 EUR |
Gesamtsumme: |
1496,43 EUR |
Gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss erhob der Bevollmächtigte am 19. Oktober 2022 Erinnerung, die sich gegen die Reduzierung der Gebühren richtet.
Mit Schreiben vom 15. März 2023 hat die Erinnerungsgegnerin die Zurückweisung der Erinnerung beantragt und auf den angegriffenen Beschluss verwiesen. Darüber hinaus hat sich der Beklagte gegen die Kostennachricht vom 19. August 2022 gewandt und eine weitere Herabsetzung der Vergütung begehrt. Das hierzu anhängige Verfahren (S 12 SF 16/23) ruht derzeit.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Beklagtenakten Bezug genommen.
II.
Die Erinnerung ist zulässig und begründet.
Nach § 3 I Satz 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt nach § 45 I Satz 1 RVG aus der Landeskasse zu erstatten sind. Dieser Vergütungsanspruch ist gemäß § 48 I Satz 1 RVG nach seinem Grund und seiner Höhe von dem Umfang der Beiordnung abhängig. Der beigeordnete Rechtsanwalt kann sämtliche Gebühren und Auslagen beanspruchen, die sich aus seiner Tätigkeit ab Wirksamwerden seiner Beiordnung und unter der Voraussetzung einer wirksamen Vollmacht des begünstigten Beteiligten ergeben.
Vorliegend besteht ein Vergütungsanspruch des Bevollmächtigten. Dem Klageverfahren lag ein Mandatsverhältnis zu Grunde, welches durch die Vorlage der Prozessvollmacht dokumentiert wurde. Im Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wurde zudem der Bevollmächtigte beigeordnet.
Der beigeordnete Rechtsanwalt kann nach § 48 I Satz 1 RVG sämtliche Gebühren und Auslagen beanspruchen, die sich aus seiner Tätigkeit ab Wirksamwerden seiner Beiordnung ergeben. Der Zeitpunkt der Wirksamkeit ist vorliegend in Übereinstimmung mit der Einschätzung der Urkundsbeamtin auf den Tag der Antragstellung festzusetzen. Zwar hat der Erinnerungsführer darauf verwiesen, dass entgegen der sonstigen Übung, der Beschluss zur Beiordnung keine zeitliche Bestimmung enthält. Dies führt jedoch nach Auffassung des Gerichts nicht dazu, dass sämtliche Tätigkeiten auch vor der Antragstellung zu berücksichtigen wären. Zunächst bestimmt § 48 Abs. 4 Satz 1 RVG, dass sich die Beiordnung in Angelegenheiten, in denen - wie im vorliegenden Fall - nach § 3 Abs. 1 RVG Betragsrahmengebühren entstehen, auf Tätigkeiten ab dem ...