Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Mietkautionsdarlehen. Zulässigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrags. Nichtigkeit der Vertragsklausel über die Rückzahlungsverpflichtung. Verstoß gegen § 42a Abs 2 bis 4 SGB 2. Unwirksamkeit einer Vereinbarung über entstehende Zinsen aus der Anlage der Mietkaution. Angebot einer Rückzahlungsvereinbarung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Gewährung eines Darlehens für eine Mietkaution nach § 22 Abs 6 SGB II kann durch öffentlich-rechtlichen Vertrag erfolgen.
2. Die bedungene Vereinbarung über die Rückzahlung des Darlehens ist unwirksam, wenn sie nicht den Vorgaben von § 42a Abs 2 bis 4 SGB II entspricht. Die Lücke ist durch Anwendung der genannten Vorschriften zu schließen.
3. Unwirksam ist ferner eine Vereinbarung, in der sich der SGB II-Leistungsträger die aus der Anlage der Mietsicherheit durch den Vermieter ergebenden Erträge versprechen lässt.
4. Deckt eine zurückerlangte Kaution den noch nicht getilgten Darlehensbetrag nicht, bedarf es gemäß § 42a Abs 3 S 2 SGB II grundsätzlich zumindest eines Angebots des Grundsicherungsträgers gegenüber jedem anderen Teil über Zahlungsvereinfachungen.
Tenor
Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an den Kläger 1.196 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2. zu tragen. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
Die Berufung des Klägers wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rückforderung eines Kautionsdarlehens.
Die Beklagten bezogen vom Kläger unter anderem im Jahr 2012 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). Anlässlich ihres Umzugs in eine Wohnung H d H in M vereinbarten sie die Gewährung eines Darlehens für eine Mietsicherheit in Höhe von (i.H.v.) 1.196 €. Sie kamen hierbei überein, dass das Darlehen zuzüglich (zzgl.) der hierzu anfallenden Zinsen zurückzuzahlen sei, wenn die Wohnung durch Auszug oder Tod der Beklagten aufgegeben werde oder ihr Leistungsbezug nach dem SGB II ende. Unter § 2 der Vereinbarung traten die Beklagten die der Vermieterin überwiesene Mietkaution unwiderruflich ab. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Darlehensvertrag vom 27. Februar 2012, Blatt 6 folgende der Gerichtsakte (GA), Bezug genommen. Separat unterzeichneten die Beklagten am selben Tag eine Erklärung, durch die sie den Anspruch auf Rückzahlung unwiderruflich an den Kläger zur Sicherung der Ansprüche aus dem Darlehensvertrag abtrat. Am 28. Februar 2012 zahlte der Kläger 1.196 € direkt an die Vermieterin.
Zum 1. Mai 2019 verzogen die Beklagten. Am 11. September dieses Jahres erhielten sie die Kaution i.H.v. 901,21 € zurück, wobei zu ihren Gunsten Zinsen i.H.v. 10,25 € anfielen. Für eine Betriebskostenabrechnung und beschädigte Türen brachte die Vermieterin den Differenzbetrag von 186,05 € in Abzug.
Mit Schreiben vom 28. November 2020 forderte der Kläger die Beklagte zu 1. auf, einen Betrag i.H.v. 1.196 € zu zahlen. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2020 wandte er sich - ebenfalls vergeblich - an die Vermieterin wegen der Rückzahlung der Kaution. Mit Schreiben vom 20. November 2020 forderte der Kläger die Beklagte zu 1. nochmals zur Zahlung des Darlehensbetrags, nunmehr zzgl. der Zinsen i.H.v. 10,25 €, auf. Dabei erteilte er ihr den Hinweis, sie solle sich mit ihm in Verbindung setzen, sofern sie den Betrag nicht bis zum 7. Dezember 2020 zurückzahlen könne und wies darauf hin, dass Anträge im Zusammenhang mit den Zahlungsmodalitäten (zum Beispiel ≪z.B.≫ Ratenzahlung) an ihn gerichtet werden könnten.
Am 13. Juli 2021 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Die Beklagten seien verpflichtet, aufgrund des Auszugs den Darlehensbetrag zurückzuzahlen. Die Zinsen seien dem Darlehen zuzuschlagen. Sonst könnten die Beklagten aus dem darlehensweise zur Verfügung gestellten Betrag Kapitalerträge erwirtschaften und dauerhaft behalten. Dies würde sie über das gesetzlich bestimmte Maß hinaus begünstigen. Mit der Regelung zur Rückzahlung der Zinsen werde die finanzielle Neutralität der Darlehensgewährung hergestellt.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 1.206,25 € zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der GA Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.
A. Das Gericht konnte trotz des Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung verhandeln und in der Sache entscheiden, da sie hierauf in den Ladungen vom 1. August 2022 hingewiesen wurden.
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage (§ 54 Absatz ≪Abs.≫ 5 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) statthaft. Ein Verwaltungsakt hatte hier nicht zu ergehen. Hat sich ein Träger der öffentlichen Verwaltung dafür entschieden, eine vertragliche Vereinbarung einzugehen anstatt einen Verwaltungsa...