Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Guthaben aus Nebenkostenabrechnung. Anrechnung auf die tatsächlichen Aufwendungen im Anrechnungszeitraum

 

Leitsatz (amtlich)

Rückzahlungen und Guthaben mindern die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung auch nach der Änderung des § 22 Abs 3 SGB II ab dem 1.8.2016 (entgegen LSG Halle vom 21.12.2022 - L 5 AS 283/22 = EuG 2024, 201 ).

 

Tenor

Der Bescheid vom 6. März 2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juni 2023 wird aufgehoben.

Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob beim Kläger ein Guthaben aus einer Betriebs- und Heizkostenabrechnung für das Jahr 2021 im März 2022 auf seine Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) anzurechnen ist.

Der 1984 geborene Kläger stand beim Beklagten im Leistungsbezug. Er wohnt zur Miete unter der im Rubrum ersichtlichen Anschrift und wandte 502,42 € Grundmiete auf. Bereits seit dem 1. Januar 2014 trägt der Beklagte nur noch die nach seiner Auffassung angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH). Mit Änderungsbescheid vom 23. Dezember 2020 bewilligte er dem Kläger und seinem Sohn vorläufig Leistungen unter Berücksichtigung von 269,50 € Grundmiete und - in tatsächlicher Höhe - 80 € Heizkosten und 77 € Nebenkosten für Januar bis Juni 2021, wobei er die Leistungen hälftig verteilte. Mit vorläufigem Bescheid vom 18. Juni 2021 in Gestalt einer abschließenden Bewilligung vom 22. November 2021 berücksichtigte er für Juli bis Dezember 2021 davon abweichend 275,85 € Grundmiete und 80 € Betriebskosten, wobei er auf den Sohn des Klägers in den Monaten Juli und September bis Dezember 2021 als temporäres Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft keine KdUH verteilte.

Mit vorläufigem Bescheid vom 22. November 2021 in Gestalt von Änderungsbescheiden vom 27. November und 15. Dezember 2021 sowie vom 10. März 2022 und abschließender Bewilligung vom 28. Juni 2022 bewilligte der Beklagte dem Kläger ohne Berücksichtigung seines Sohnes bei den KdUH unter anderem für März 2022 Leistungen in Höhe von (i.H.v.) insgesamt 979,10 €, wobei er die KdUH der Höhe nach wie zuletzt berücksichtigte.

Mit Schreiben vom 16. Dezember 2022 forderte der Beklagte den Kläger zur Vorlage der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2021 auf. Die Abrechnung vom 16. Februar 2022 reichte der Kläger beim Beklagten am 6. Januar 2023 ein. Diese wies einen auf den Kläger entfallenden Betrag von 1.742,69 € aus, wobei darin 519,20 € Heizkosten enthalten waren. Dem stellte die Hausverwaltung 161,32 € monatliche beziehungsweise (bzw.) insgesamt 1.935,84 € Vorauszahlung gegenüber, wobei sich ein Guthaben von 193,15 € ergab. Wegen des weiteren Inhalts wird auf Seite 337 des Ausdrucks der elektronischen Akte des Beklagten (E-Akte) verwiesen.

Mit Schreiben vom 13. Januar 2023 hörte der Beklagte den Kläger wegen einer Überzahlung i.H.v. 159,31 € und der Aufhebung nach§ 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) an. Mit Bescheid vom 6. März 2023 setzte der Beklagte dies um.

Hiergegen erhob der Kläger am 22. März 2023 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus: Rechtsgrundlage für die Aufhebung könne nur§ 45 SGB X sein, wobei er weder Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis gehabt habe. Da er einen Teil der KdUH aus eigenen Mitteln aufgebracht habe, habe er darauf vertrauen können, dass er das mühsam erzielte Einkommen nicht abgeben müsse. Zu Unrecht habe der Beklagte die KdUH nicht in vollem Umfang berücksichtigt. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juni 2023 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte aus: Er habe Nebenkosten i.H.v. 942 € und Heizkosten i.H.v. 960 € geleistet bzw. anerkannt. Der tatsächliche Verbrauch habe laut Abrechnung 1.223,49 € bzw. 519,20 € betragen. Daraus ergebe sich eine Nachzahlung i.H.v. 281,49 € bzw. eine Gutschrift i.H.v. 440,80 €. Aus der Differenz von Nachzahlung und Gutschrift ergebe sich ein Gesamtguthaben von 159,31 €, das im März 2022 bedarfsmindernd sei. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger nicht berufen.

Hiergegen hat der Kläger am 19. Juli 2023 Klage erhoben. Begründend gibt er über seinen bisherigen Vortrag hinaus an: Das Guthaben wirke sich nicht auf die anerkannten Mietkosten aus.

Er beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 6. März 2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juni 2023 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und verweist auf seinen bisherigen Vortrag.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte (GA) und die E-Akte verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

A. Das Gericht konnte gemäß § 124 Absatz (Abs.) 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (Schreiben vom 15. bzw. 19. Januar 2024, Blatt 49 bzw....

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