Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Erstattung von Kosten im Vorverfahren. Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten. ordnungsgemäße Bevollmächtigung. Prüfung des Mangels der Vollmacht von Amts wegen
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten ist zu prüfen, ob der Kläger es für erforderlich halten durfte, im Vorverfahren durch einen Rechtsanwalt unterstützt zu werden und dann einen Rechtsanwalt hinzugezogen hat. Abzustellen ist auf die Sicht eines verständigen Beteiligten, der bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten.
2. Da die ordnungsgemäße Bevollmächtigung eine tatbestandliche Voraussetzung der Notwendigkeit der Zuziehung des Bevollmächtigten darstellt, kann das Gericht - ausnahmsweise - den Mangel der Vollmacht von Amts wegen berücksichtigen. Eine Prozessvollmacht des Inhalts, dass die Vollmacht für sämtliche Angelegenheiten gegenüber der Behörde bzw den Gerichten in allen Verfahrensschritten gelte und sich auch auf zukünftige Bescheide und Verfahren erstrecke, kann nicht mit der notwendigen Klarheit einem konkreten Klageverfahren zugeordnet werden.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrens-bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren.
Der Kläger bezog Grundsicherungsleistungen nach näherer Maßgabe des Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), welche durch --hier nicht streitgegenständlichen-- Aufhebungs- und Erstattungsbescheid (teilweise) zurückgefordert worden. Die Beitreibung und Vollstreckung der Rückforderung des Grundsicherungsträgers obliegt der Beklagten.
Unter dem 19. September 2010 forderte die Beklagte den Kläger zur Rückzahlung der aufgehobenen Grundsicherungsleistungen auf; zugleich setzte die Beklagte Mahngebühren in Höhe von 1,80 Euro fest und forderte auch deren Ausgleich. Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch hob die Beklagte mit Bescheid vom 23. August 2011 die Festsetzung der Mahngebühren auf. Die Beklagte sprach zudem aus, dass die im Widerspruchsverfahren entstandenen Aufwendungen erstattet werden, § 63 Abs. 1 des Zehnten Buch Sozialgesetzbuch (SGB X); die Notwendigkeit der Zuziehung eines Rechtsanwaltes, § 63 Abs. 3 Satz 2 SGB X wurde indessen nicht für notwendig erachtet.
Gegen die Ablehnung der Notwendigkeit der Hinzuziehung des Bevollmächtigten erhob der Kläger unter dem 23. September 2011 Widerspruch. Zu dessen Begründung führte er --unter Rekurs auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 26. Mai 2011, Az. B 14 AS 54/10 R-- aus, dass die Hinzuziehung des Bevollmächtigten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Kammerbeschluss vom 24. März 2011, Az. 1 BvR 1737/10 und 1 BvR 2493/10) grundsätzlich als notwendig anzusehen sei, weil nur dies "dem Grundsatz der Waffengleichheit gerecht (werde), zumal dem Widerspruchsführer auf der Gegenseite rechtskundige und prozesserfahrene Vertreter der Behörde gegenüber stehen dürften. Die Mandantschaft konnte auch nicht darauf vertrauen, dass die Bundesagentur 'irgendwann in der Zukunft' dem Urteil des BSG Rechnung trägt, da sie sich somit vollkommen der Willkür der Bundesagentur ausgeliefert hätte.". Auch sei zu berücksichtigen, dass dem Kläger mit dem frei erwählten Prozessbevollmächtigten ein unabhängiges Organ der Rechtspflege zur Seite gestanden habe; - der Prozessbevollmächtigte trage "durch den Blick 'von außen' zur Pluralität der Meinungsbildung und Klärung der Rechtslage bei". Darüber hinaus hat der Kläger vorgetragen, dass "das Vorverfahren in ein Klageverfahren mit der Beklagten als potentiellem Prozessgegner münden kann. Das Widerspruchsverfahren dient sowohl dem Zweck einer Selbstkontrolle der Verwaltung als auch dem Rechtsschutz des Betroffenen und der Entlastung der Gerichte. In Anbetracht einer möglichen gerichtlichen Auseinandersetzung und hinsichtlich der prozessrechtlichen Grundsätze der Waffengleichheit und der gleichmäßigen Verteilung des Risikos am Verfahrensausgang, ist es unzumutbar, die Mandantschaft eine allein ihren Interessen verpflichtende Beratung vorzuenthalten und statt dessen die Bundesagentur mit der Beratungstätigkeit Einfluss auf die Art und Weise der Rechtswahrnehmung der Mandantschaft zu geben."
Mit seiner nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2011) zum Sozialgericht Nordhausen erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Klagebegründung erneuert und vertieft der Kläger seinen Vortrag im Widerspruchsverfahren.
Der Kläger beantragt,
den Abhilfebescheid vom 23. August 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2011 insoweit abzuändern, dass die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren als notwendig erachtet wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte tritt der Klage mit den Gründen des Widerspruchsbescheides entgegen. Sie ver...