Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragsbemessung eines freiwillig Krankenversicherten

 

Orientierungssatz

1. Die Beitragsbemessung eines freiwillig Krankenversicherten hat nach § 240 Abs. 1 SGB 5 dessen gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen.

2. Die unterschiedliche Behandlung der beitragspflichtigen Einnahmen zwischen pflichtversicherten und freiwilligen Mitgliedern verstößt nicht gegen Art. 3 GG.

3. Die Gruppe der Pflichtversicherten wird vom Gesetzgeber als besonders schutzbedürftig angesehen und deshalb der Versicherungspflicht unterworfen, vgl. BSG, Urteil vom 24. November 1992 - 12 RK 8/92.

4. Es ist nicht sachfremd, wenn die Beitragsbemessung an die unterschiedlichen Einnahmearten zwischen pflichtversicherten und freiwillig versicherten Mitgliedern anknüpft. Die Versicherten werden grundsätzlich nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu Beiträgen herangezogen. Es entspricht dem maßgeblichen Solidaritätsprinzip, dass bei freiwillig Versicherten nicht nur Arbeitsentgelt und Versorgungsbezüge, sondern auch weitere Einnahmen etwa aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden.

5. Weil freiwillig Versicherte regelmäßig Einkommensteuererklärungen abgeben müssen, ist die Orientierung am Einkommensteuerbescheid interessengerecht.

6. Dass der freiwillig Versicherte gleiche Leistungen erhält wie der Pflichtversicherte, entspricht dem Solidaritätsprinzip als wesentlichem Strukturprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 11.04.2016; Aktenzeichen B 12 KR 57/15 B)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Beitragserhebung zur Kranken- und Pflegeversicherung auf Einkommen aus Vermietung und Verpachtung.

Der Kläger ist am E. 1940 geboren und bei der Beklagten freiwillig kranken- und pflegeversichert. Er ist als Rechtsanwalt selbständig tätig. Neben den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit erhält er einen Versorgungsbezug aus der Rechtsanwaltsversorgung und eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung.

Aufgrund des aktuellen Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2009 vom 27.04.2011 setzte die Beklagte den monatlichen Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung mit Bescheid vom 12.05.2011 ab dem 01.05.2011 auf monatlich 389,68 € fest.

Der Kläger legte am 07.06.2011 Widerspruch ein. Es ergebe sich aus dem Bescheid nicht, von welchem Ausgangsbetrag die Beiträge mit welchem Prozentsatz berechnet würden. Zudem fehle die Rechtsmittelbelehrung. Es sei mit dem Gleichheitssatz nicht vereinbar, dass bei pflichtversicherten Rentnern nur die Rente dem Beitrag zugrunde gelegt werde, bei freiwillig Versicherten aber weiteres Einkommen, zumal beide Gruppen die gleichen Leistungen der Kranken- und Pflegeversicherung bekämen. Weiterhin sei nicht korrekt, dass für den Fall eines höheren Beitrages der Einkommensteuerbescheid rückwirkend zugrunde gelegt werde, für den Fall eines niedrigeren Beitrags aber ab dem Zeitpunkt der Vorlage für die Zukunft.

Mit Schreiben vom 08.06.2011 schlüsselte die Beklagte die Beitragsberechnung auf. Sie habe bei der Beitragsbemessung folgende monatliche Einnahmen berücksichtigt:

Einkommen aus selbständiger Tätigkeit

 883 €

Gesetzliche Rente

236,15 €

Rechtsanwaltsversorgungsbezug

1043,50 €

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

104,42€ (zunächst falsch benannt als Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 140,42 €, aber mit Schreiben vom 04.07.2011 korrigiert)

Der Beitrag zur Krankenversicherung betrage danach monatlich 345,45 €, der Beitrag zur Pflegeversicherung 44,21 €.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.11.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus, die Berechnung entspreche der Regelung des § 240 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung mit den einheitlichen Grundsätzen des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherungen zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder. Die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung seien bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen.

Mit seiner am 28.11.2011 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er rügt insbesondere eine Ungleichbehandlung gegenüber Pflichtversicherten.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 12.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.11.2011 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, unter Außerachtlassung von Einkommen aus Vermietung und Verpachtung, neu zu berechnen.

Der Kläger beantragt zudem,

die Berufung zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Die Beitragsberechnung der Beklagten ist rechtmäßig. Der Kläger ist durch die Bescheide de...

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