Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Terminsgebühr. nachträgliche gerichtliche Feststellung. bereits wirksam vereinbarte vergleichsweise Regelung

 

Leitsatz (amtlich)

Durch die nachträgliche gerichtliche Feststellung einer zwischen den Beteiligten bereits wirksam vereinbarten vergleichsweisen Regelung entsteht keine Terminsgebühr der Nr 3106 VV RVG in der Fassung ab dem 1.8.2013.

 

Tenor

Auf die Erinnerung der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 17.12.2015 geändert. Die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden Kosten werden auf 368,90 Euro festgesetzt.

Außergerichtliche Kosten des Klägers im Erinnerungsverfahren sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Erinnerung gegen den Ansatz einer fiktiven Terminsgebühr im Ausgangsverfahren.

Die Erinnerung ist zulässig und begründet.

Die Beklagte rügt zu Recht, dass im vorliegenden Falle keine Terminsgebühr der Nr. 3106 VV RVG in der Fassung ab dem 01.08.2013 entstanden ist. Insoweit ist die Kostenfestsetzung zu korrigieren.

Ein “schriftlicher Vergleich„, der unter Mitwirkung oder auf Veranlassung des Gerichts im Sinne des § 202 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 ZPO oder nach § 101 Abs. 1 Satz 1 oder 2 SGG geschlossen worden sein müsste, liegt nicht vor.

Das Ausgangsverfahren endete durch ein schriftliches Vergleichsangebot der Beklagten vom 23.04.2015, das der Kläger schließlich mit Schreiben vom 05.08.2015 angenommen hat. Auf Antrag des Klägers vom 22.09.2015 hat die 15. Kammer dann mit Beschluss vom gleichen Tage festgestellt, dass sich das Verfahren am 07.08.2015 durch “folgenden Vergleich erledigt hat„; es folgt der Text des Vergleichsangebots der Beklagten.

Damit hat das Ausgangsverfahren nicht mit einem “schriftlichen Vergleich„ im Sinne der Nr. 3106 1. Alt. VV RVG n.F. geendet, und es ist keine Terminsgebühr angefallen.

Das gerichtliche Verfahren ist vielmehr bereits, wie es auch der deklaratorische Beschluss der 15. Kammer feststellt, am 07.08.2015 durch die Annahme des Vergleichsangebots der Beklagten wirksam beendet worden. Eine solche schriftsätzliche Annahme eines schriftlichen Vergleichsvorschlags lässt eine fiktive Terminsgebühr nicht entstehen. Die Kammer folgt insoweit der Rechtsprechung des Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, das diese Rechtsauffassung mit Beschluss vom 20.07.2015 (Az. L 7/14 AS 64/14 B -, Juris) unter Hinweis auf Entstehungsgeschichte, systematischen Zusammenhang sowie Sinn und Zweck der Gebührenziffer bestätigt hat. Hiernach ist ein “schriftlicher Vergleich„ im Sinne der Nr. 3106 Satz 2 Nr. 1, 2. Alt. VV RVG nur ein unter Mitwirkung oder auf Veranlassung des Gerichts geschlossener Vergleich nach § 202 SGG in Verbindung mit § 278 Abs. 6 Zivilprozessordnung (ZPO) und ab dem 25. Oktober 2013 nach § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20.07.2015, Juris-Rn. 18 ff.; ebenso Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Beschl. vom 11.03.2015 - L 9 AL 277/14 B, juris-Rn. 18; Bayerisches LSG, Beschluss vom 22.05.2015 - L 15 SF 115/14 E, juris-Rn. 21).

Ein solcher unter Mitwirkung oder auf Veranlassung des Gerichts geschlossener Vergleich im Sinne des § 202 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 ZPO oder nach § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG liegt im Ausgangsverfahren jedoch nicht vor. Insbesondere haben die Parteien nicht, wie § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO es vorsieht, dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreitet oder einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht angenommen. Vielmehr ist im vorliegenden Falle lediglich auf Antrag des Klägers die zwischen den Beteiligten bereits schriftsätzlich getroffene außergerichtliche Einigung nachträglich durch richterlichen Beschluss festgestellt worden.

Es kann dahingestellt bleiben, ob diese nachträgliche Protokollierung überhaupt von der Regelung des § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO umfasst ist. Jedenfalls ist aber durch die nachträgliche Protokollierung keine Terminsgebühr entstanden.

Zu Recht rügt die Beklagte insoweit, dass es sich entgegen der Auffassung der Urkundsbeamtin insoweit nicht um einen Vergleich unter konstitutiver Mitwirkung des Gerichts handelt. Vielmehr war das Gerichtsverfahren, wie bereits dargelegt, durch die übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten bereits beendet; der Gerichtsbeschluss hatte dann lediglich deklaratorische Wirkung.

In derartigen Fallkonstellationen fällt keine fiktive Terminsgebühr der Nr. 3106 VV RVG n.F. an. Dies widerspricht dem Sinn und Zweck der fiktiven Terminsgebühr. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen weist in der o. g. Entscheidung ausdrücklich darauf hin, dass in den Fällen, in denen die Beteiligten einen Vergleich bereits außergerichtlich geschlossen haben und damit die mündliche Verhandlung entbehrlich geworden ist, keine Notwendigkeit mehr für die Gewährung einer fiktiven Terminsgebühr bestehe, weil hier die Steuerungswirkung der fiktiven Terminsgebühr nicht benötigt ...

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