Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. unangemessene Unterkunftskosten. Aufforderung zur Kostensenkung. Verletzung der Aufklärungs- und Hinweispflicht durch den Grundsicherungsträger. kein Beginn der 6-Monatsfrist
Leitsatz (amtlich)
1. Der kommunale Träger hat im Falle unangemessener Unterkunft den Hilfeempfänger im Rahmen des § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 umfassend über dessen Obliegenheiten aufzuklären.
2. Erfolgt keine umfassende Aufklärung des Hilfeempfängers durch den kommunalen Träger, ist es dem Hilfeempfänger unzumutbar, die Kosten für seine Unterkunft zu senken. Die Sechs-Monats-Frist des § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 ist nicht in Lauf gesetzt worden (vgl LSG München vom 17.3.2006 - L 7 AS 20/05).
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 6. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2005 wird unter Maßgabe der Ziffer 2 abgeändert.
2. Die Beklagte wird dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005 weitere Leistungen für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu gewähren.
3. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005 weitere Leistungen für Unterkunft nach § 22 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).
Sie bewohnt mit ihrem minderjährigen Sohn eine 70 m² große Mietwohnung. Hierfür fallen monatlich folgende Kosten an: 350,- € Kaltmiete und 90,- € Betriebskosten sowie 67,- € Abschläge für die Belieferung mit Gas zur Beheizung der Wohnung durch die Stadtwerke D. AG.
Die Klägerin beantragte am 4. November 2004 die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die bis zum 31. Dezember 2004 zuständige Agentur für Arbeit D. bewilligte der Klägerin und ihrem Sohn daraufhin mit Bescheid vom 9. Dezember 2004 für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 die begehrten Leistungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung. Der Bescheid enthielt folgenden Zusatz:
“Gem. § 22 Abs. 1 SGB II können grundsätzlich nur die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung berücksichtigt werden. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheiten des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange zu berücksichtigen, wie es dem Hilfeempfänger nicht möglich oder nicht zumutbar ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.
Die von Ihnen zu zahlende und bei der Bedarfsberechnung berücksichtigte Miete in Höhe von zur Zeit 440,- € ist nicht angemessen im Sinne der oben genannten Vorschrift und kann daher lediglich bis zum 30. Juni 2005 anerkannt werden.
Die anzuerkennende Miethöchstgrenze beträgt in Ihrem Fall 330,00 € (Kaltmiete plus Nebenkosten / ohne Heizkosten).„
Auf den Folgeantrag der Klägerin hin bewilligte die nunmehr zuständige Beklagte der Klägerin und ihrem Sohn mit Bescheid vom 6. Juni 2005 für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 781,60 €. Dabei betrugen die Leistungen für Unterkunft monatlich 330,- € und die Leistungen für Heizung monatlich 56,60 €. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 2005 zurückgewiesen.
Die Klägerin hat am 6. Oktober 2005 Klage erhoben und begehrt die Übernahme der tatsächlichen Unterkunftskosten. Sie trägt vor, dass sie als Asthmatikerin und Allergikerin auf einen gefliesten Wohnraum angewiesen sei. Sie habe den Wohnungsmarkt in der E. Zeitung auf günstigen Wohnraum überprüft, bei Großvermietern angerufen und ihre Personalien hinterlegt. Darüber hinaus habe sie sich zahlreiche Wohnungen angeschaut. Zu den von der Beklagten vorgegebenen Konditionen habe sie jedoch keine Wohnung in D. finden können.
In dem Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 24. Oktober 2006 hat die Beklagte dahingehend ein Teilanerkenntnis abgegeben, dass für den streitbefangenen Zeitraum weitere Leistungen für Unterkunft in Höhe von monatlich 35,- € gewährt werden. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen.
Sie beantragt danach nunmehr,
1. den Bescheid vom 6. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2005 unter Maßgabe der Ziffer 2 abzuändern und
2. die Beklagte dem Grunde nach zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005 weitere Leistungen für Unterkunft unter Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihrer Entscheidung fest. Zur Bestimmung der Angemessenheit des Wohnraumes sei auf die rechte Spalte der Tabelle zu § 8 WoGG, vorliegend für zwei Personen und Mietenstufe 3, abzustellen. Inwieweit sich die Klägerin während der Übergangsfrist intensiv um eine angemessene Unterkunft bemüht habe, bliebe offen. Entsprechende Bemühungen habe d...