Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Aufgabenübertragung durch eine Optionskommune auf einen Träger mit eigener Rechtspersönlichkeit. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 14 AS 24/17 R

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Optionskommune nach § 6a SGB II verstößt gegen den Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung als Kompetenzausübungsschranke, wenn sie ihre hoheitlichen Aufgaben durch zwei rechtlich verselbständigte Verwaltungseinheiten wahrnehmen lässt. Das widerspricht dem vom Gesetzgeber vorgesehenen Einheitsprinzip für Optionskommunen (Anschluss an SG Osnabrück vom 28.6.2016 - S 31 AS 440/12 = juris RdNr 27).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 03.09.2020; Aktenzeichen B 14 AS 24/17 R)

 

Tenor

Der Bescheid vom 22. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 2015 sowie der Bescheid vom 11. Mai 2016 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 23. Februar 2017 wird aufgehoben, soweit eine Pflichtverletzung aufgrund eines Meldeversäumnisses festgestellt wird.

Der Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen eine Minderung von Leistungen für die Monate August 2015 bis Oktober 2015 aufgrund eines Meldeversäumnisses.

Die Kläger stehen im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II beim Beklagten. Die für den Beklagten im Bereich der Arbeitsvermittlung handelnde BI. kommunale Anstalt öffentlichen Rechts lud die Kläger jeweils mit Schreiben vom 23. Juni 2015 zu einem Termin am 3. Juli 2015 ein. Die Kläger erschienen nicht. Deswegen gab die BI. den Klägern Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Minderung der Leistungen in Höhe von 10 % der Regelleistungen. Die Kläger teilten im Rahmen der Antragstellung ab August 2015 mit, dass sie die Einladung aufgrund einer Ortsabwesenheit nicht erhalten hätten. Mit Bescheid vom 22. Juli 2015 bewilligte der Beklagte vorläufig Leistungen für den Zeitraum August 2015 bis Oktober 2015 unter Berücksichtigung der Sanktion in Höhe von 10 % der Regelleistung. Die Vorläufigkeit ergab sich aus dem schwankenden Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit. Die Kläger legten im August 2015 Widerspruch ein. Diesen wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2015 als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen eines Meldeversäumnisses lägen vor. Ein wichtiger Grund sei nicht in der Ortsabwesenheit zu sehen.

Die Kläger haben am 30. November 2015 Klage erhoben.

Im Laufe des Klageverfahrens hat der Beklagte die Leistungen mit Bescheid vom 11. Mai 2016 endgültig festgesetzt und dabei die Sanktion nach wie vor berücksichtigt. Auf Einwendungen der Klägerin hin hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 23. Februar 2017 ein Anerkenntnis abgegeben und die Erstattungsforderung entsprechend reduziert. Dieses Anerkenntnis haben die Kläger angenommen und den Rechtsstreit im Hinblick auf die Sanktion fortgeführt. Wegen der Einzelheiten der Leistungsberechnung wird auf die Bescheide vom 22. Juli 2015, 11. Mai 2016 und die Berechnungsbögen zum Schriftsatz vom 23. Februar 2017 Bezug genommen (Bl. 270 ff. der Verwaltungsakte, 34 ff. der Gerichtsakte und Bl. 45 ff. der Gerichtsakte).

Die Kläger beantragen sinngemäß,

die Bescheide vom 22. Juli 2015, 27. Oktober 2015 und den Bescheid vom 11. Mai 2016 in der Fassung des Anerkenntnisses vom 23. Februar 2017 aufzuheben, soweit eine Minderung der Leistungen in Höhe von 10 % der Regelbedarfe festgestellt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten haben sich nach einem Hinweis der Kammer mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsätze vom 28. Juli 2016, Bl. 31 d. Gerichtsakte und Schriftsatz vom 14. März 2017, Bl. 57 d. Gerichtsakte).

 

Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG). Der Schriftsatz vom 28. Juli 2016 der Beklagten war diesbezüglich hinreichend bestimmt. Der Schriftsatz wird als eine Zustimmung nach § 124 Abs. 2 SGG verbunden mit einem Antrag auf Ruhen des Verfahrens ausgelegt.

Streitgegenstand sind die im Tenor aufgeführten Bescheide. Dem steht nicht entgegen, dass die vorläufige Bewilligung durch die endgültige Festsetzung der Leistungen nach § 328 SGB III i. V. m. § 40 SGB II a. F. von vollständig ersetzt wird. Denn die Feststellung der Pflichtverletzung ist eine eigenständige Verfügung, die von der Vorläufigkeit nicht umfasst ist.

Die so verstandene Klage ist begründet. Der angegriffene Bescheid ist insoweit rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Ein Meldeversäumnis im Sinne von § 32 SGB II liegt nicht vor, weil keine Aufforderung des zuständigen Trägers vorlag, sich bei ihm zu melden. Zuständig für die Ausführung des SGB II ist nach §§ 6, 6a SGB II i. V. m. dem niedersächsischen Ausführungsgesetz zum SGB II (AGSGBII) allein der Beklagte. Dem steht nicht entgegen, dass er durch Satzung Aufgaben der Arbeitsvermittlung auf die dafür gegründete B. übertragen hat. Jedenfalls diese Zuständigkeitsübertragung ist rec...

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