Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Erstauszug eines jungen Erwachsenen unter 25 Jahren ohne Zusicherung. Prognose zur Hilfebedürftigkeit. Unvorhersehbarkeit der Beendigung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses. keine Begrenzung der Regelleistung gem § 20 Abs 2a SGB 2
Leitsatz (amtlich)
1. Der Sinn und Zweck des Zusicherungsvorbehalts des § 22 Abs 2a SGB 2 ist darin zu sehen, dass mit dieser Regelung, der kostenträchtige Erstbezug einer eigenen Wohnung durch Personen begrenzt werden soll, die bisher wegen Unterstützung innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft keinen eigenen Anspruch hatten oder als Teil einer Bedarfsgemeinschaft niedrigere Leistungen bezogen haben.
2. Die gesetzliche Regelung ist daher dahingehend auszulegen, dass ein Zusammenhang bestehen muss zwischen dem unter Zusicherungsvorbehalt stehenden Auszug / Umzug und einem hieraus resultierenden (höheren) Leistungsbedarf. Der Zusicherungsvorbehalt gilt daher nur dann, wenn ein unter 25-jähriger aus dem elterlichen Haushalt auszieht, obwohl er seinen Lebensunterhalt absehbar nicht dauerhaft aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten kann. Hierbei muss eine Prognoseentscheidung zum Zeitpunkt des Auszuges maßgeblich sein.
3. Besteht zum Zeitpunkt des Auszuges ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, das den Jugendlichen von SGB 2 Leistungen unabhängig macht, so gilt das Zusicherungserfordernis nicht. Dies gilt auch dann, wenn infolge eines nicht vorhersehbaren Arbeitsunfalls dann doch Hilfebedürftigkeit eintritt.
Orientierungssatz
Dementsprechend ist auch § 20 Abs 2a SGB 2 nicht auf Fälle anwendbar, in denen zum Zeitpunkt des Auszuges aus der elterlichen Wohnung die berechtigte Aussicht bestand, künftig nicht auf Leistungen nach dem SGB 2 angewiesen zu sein.
Tenor
1. Die Antragsgegnerin wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II unter Berücksichtigung der vollen Regelleistung in Höhe von 347 € sowie den tatsächlich nachgewiesenen Kosten der Unterkunft ab dem 02.01.2008 bis zu einer bestandskräftigen oder rechtskräftigen Entscheidung längstens jedoch bis 02.07.2008 zu gewähren.
2. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.
Gründe
Die Beteiligten streiten im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz darüber, in welcher Höhe der Antragsteller Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hat.
Der am ... geborene Antragsteller wohnte bis 31.10.2006 bei seiner Mutter in ... und bezog Job Center ... Leistungen nach dem SGB II, zuletzt in einer Höhe von 86,06 € monatlich.
Am 23.10.2006 schloss der Antragsteller einen am 24.10.2006 beginnenden, unbefristeten Arbeitsvertrag mit der Firma ... - künftig: R. - (Bl. 45 - 49 der Gerichtsakte). Noch am gleichen Tag schloss der Kläger einen Mietvertrag mit dem ... (fubz) über ein Zimmer in der …. Die Miete beträgt 300 € (Bl. 18 - 19 der Verwaltungsakte).
Am 01.11.2006 erfolgte sodann der Umzug des Klägers nach …. Dort meldete sich der Antragsteller am 01.12.2006 amtlich zum 01.11.2006 an (Bl. 17 der Verwaltungsakte).
Ebenfalls am 01.12.2006 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin Leistungen nach dem SGB II. Dieser Antrag wurde vom Antragsteller erst am 05.03.2007 bei der Antragsgegnerin abgegeben.
Am 12.12.2006 erfolgte gegenüber der Antragsgegnerin eine Mitteilung durch einen Mitarbeiter des fubz, dass der Kläger bis 13.12.2006 krankgeschrieben sei und nicht an der ihm angebotenen “TRIO„ Fortbildungsmaßnahme teilnehmen könne (Bl. 20 der Verwaltungsakte).
Unter dem Datum 15.03.2007 ist ein Aktenvermerk über ein Gespräch mit einem Mitarbeiter der Firma R. dokumentiert, wonach das Arbeitsverhältnis des Antragstellers zum 24.11.2006 geendet habe (Bl. 24 der Verwaltungsakte).
Mit Bewilligungsbescheid vom 15.03.2007 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen für die Zeit vom 05.03.2007 bis 30.09.2007. Hierbei wurde als Bedarf lediglich eine Regelleistung von 276 € (= 80 % der Regelleistung des § 20 SGB II) zu Grunde gelegt. Kosten der Unterkunft wurden von der Antragsgegnerin nicht berücksichtigt. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, “Kinder„ unter 25 bedürfen vor einem Umzug aus der elterlichen Wohnung der Zustimmung des kommunalen Leistungsträgers. Dem Kläger stünden daher nur noch 80 % der Regelleistung zu. Kosten der Unterkunft könnten nicht übernommen werden (Bl. 58- 61 der Verwaltungsakte).
Am 28.03.2007 erließ die Antragsgegnerin einen Änderungsbescheid, wonach die Leistungen ab Mai 2007 antragsgemäß auf einen anders Konto überwiesen werden (Bl. 35 der Verwaltungsakte).
Mit Schreiben vom 10.04.2007 erhob der Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid vom 15.03.2007. Der Widerspruch richte sich dagegen, dass er keine Miete erhalte und ihm erst ab 05.03.2007 Leistungen bewilligt worden seien (Bl. 54 der Verwaltungsakte).
In der Akte findet sich Schreibe...