Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Berücksichtigung des Einkommens des Stiefelternteils. keine Berücksichtigung der Schuldentilgung. Verfassungsmäßigkeit. einstweiliger Rechtsschutz. Höhe des bei der Einkommensberücksichtigung anzusetzenden Betrags
Leitsatz (amtlich)
1. Einkommen des mit den Stiefkindern zusammen lebenden Stiefelternteils ist nach Maßgabe von § 9 Abs 2 S 2 SGB 2 und nicht nach Maßgabe von § 9 Abs 5 SGB 2 bei der Berechnung der Hilfebedürftigkeit zu berücksichtigen.
2. Die Regelung ist verfassungsgemäß.
3. Die Tilgung von Schulden ist bei der Beurteilung der Hilfebedürftigkeit nicht zu berücksichtigen.
Orientierungssatz
1. Anders als bei § 9 Abs 5 SGB 2 handelt es sich bei § 9 Abs 1, Abs 2 SGB 2 nicht um eine widerlegbare Vermutung. Der Frage, ob mit der (rechnerischen) Einkommensberücksichtigung eine (tatsächliche) Unterhaltszahlung korrespondiert, kommt mithin keine Bedeutung zu.
2. Für die Frage, ob der Zufluss von Einkommen vorliegt, kommt es nicht darauf an, ob der Zufluss jedes einzelne Mitglied der Bedarfsgemeinschaft erreicht, sondern allein darauf, dass das Einkommen einem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft insgesamt zufließt.
3. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist es zulässig, bei der Höhe der Einkommensberücksichtigung auf das in den Vormonaten erzielte Einkommen abzustellen, insbesondere wenn dabei zugunsten des Arbeitsuchenden das niedrigste nachgewiesene Einkommen zugrundegelegt wird und der Arbeitsuchende nicht vorgetragen hat, dass Änderungen zu seinen Lasten eingetreten wären.
Tenor
Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung werden abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Antrag der Antragstellerin zu 1) auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Frau Rechtsanwältin ..., ... wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II.
Die Antragstellerin ist am ... geboren. Sie ist die Mutter des am ... geborenen Antragstellers zu 2) und des am ... geborenen Antragstellers zu 3). Der frühere Ehemann der Antragstellerin zu 1), der Vater der Antragsteller zu 2) und 3), ist verstorben. Die Antragstellerin zu 1) ist erneut verheiratet. Die Antragsteller leben mit dem neuen, am ... geborenen Ehemann der Antragstellerin zu 1) in einer Wohnung in ... Für die Mietwohnung fallen ein Kaltmietzins in Höhe von 530,00 € monatlich sowie Neben- und Heizungskosten in Höhe von 160,00 € monatlich an.
Der Ehemann der Antragstellerin zu 1) erzielte im Juli 2007 Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 1.840,43 € netto, im August 2007 in Höhe von 2.081,21 € netto, im September 2007 in Höhe von 1.774,44 € netto sowie im Oktober 2007 in Höhe von 1967,67 € netto.
Die Antragstellerin zu 1) beantragte am 21. November 2007 für sich sowie für die Antragsteller zu 2) und 3) Leistungen nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 11. Dezember 2007 lehnte die Antragsgegnerin den Leistungsantrag ab, da sie nicht hilfebedürftig sei. Der Bedarfsberechnung legte sie einen Gesamtbedarf der aus den Antragstellern sowie dem Ehemann der Antragstellerin zu 1) bestehenden Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1.729,85 € (Regelleistungen in Höhe von insgesamt 1.110,00 € sowie anerkannte monatliche Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 619,85 €) zugrunde, berücksichtigte andererseits aber Kindergeldeinkommen in Höhe von insgesamt 308 € und Erwerbseinkommen des Ehemannes der Antragstellerin zu 1) in Höhe von netto 1.967,67 € abzüglich von Freibeträgen und Versicherungspauschale in Höhe von insgesamt 310 €.
Hiergegen legte die Antragstellerin am ... Widerspruch ein. Sie trug vor, dass ihr Ehemann nicht bereit sei, für den Unterhalt ihrer Kinder aufzukommen. Die gleichwohl erfolgte Berücksichtigung des Einkommens ihres Mannes sei nicht rechtens.
Die Antragsgegnerin wies den Widerspruch mit Bescheid vom 15. Januar 2008 zurück.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 31. Januar 2008 Klage erhoben (Az.: S 2 AS 444/08) und zugleich um einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht. Sie ist der Ansicht, dass die Anrechnung des Einkommens des Stiefvaters bei der Bedarfsberechnung der Stiefkinder verfassungswidrig sei. Da ihr Ehemann den Antragstellern zu 2) und 3) tatsächlich keinen Unterhalt leiste, könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Unterhalt der Antragsteller zu 2) und 3) tatsächlich gesichert sei. Ihr Ehemann sei zur Unterhaltsleistung auch nicht in der Lage, da er Schulden in Höhe von monatlich rund € 1.000,00 tilge. Ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache könne nicht zugemutet werden, da dies mit irreversiblen Nachteilen verbunden wäre.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Leistungen nach dem SGB II zu gewähren und dabei das Einkommen des Ehemannes der Antragstellerin zu 1) nicht bedarfsmindernd zu berück...