Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Zulässigkeit der nachträglichen Korrektur einer Krankenhausrechnung unter Geltung der Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs 1c SGB 5 (Prüfverfahrensvereinbarung. PrüfvV (juris: PrüfvVbg)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wird eine Krankenhausabrechnung keiner Prüfung durch den MDK unterzogen, findet die Rechtsprechung des BSG zur Zulässigkeit einer nachträglichen Rechnungskorrektur (vgl BSG vom 22.11.2012 - B 3 KR 1/12 R = SozR 4-2500 § 109 Nr 28 und vom 5.7.2016 - B 1 KR 40/15 R = SozR 4-2500 § 109 Nr 58) auch unter Geltung der PrüfvV weiterhin uneingeschränkt Anwendung.

2. Erfolgt eine Prüfung durch den MDK, wird die Rechtsprechung des BSG zur Zulässigkeit einer nachträglichen Rechnungskorrektur durch § 7 Abs 5 PrüfvV nur insoweit modifiziert, als die Rechnungskorrektur den Gegenstand der MDK-Prüfung betrifft. Bezieht sich also der Prüfanlass auf einen anderen Sachverhalt als die Rechnungskorrektur, findet die Rechtsprechung des BSG weiterhin uneingeschränkt Anwendung. Eine Rechnungskorrektur ist daher in diesen Fällen noch bis zum Ende des auf die Schlussrechnung folgenden Kalenderjahres zulässig. Die in § 7 Abs 5 S 2 PrüfvV enthaltene 5-Monats-Frist findet in diesen Fällen keine Anwendung.

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.983,43 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 06.11.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Tatbestand

Im Streit ist die Vergütung einer vom 12. bis 19.01.2015 durchgeführten stationären Krankenhausbehandlung.

Der im … geborene, bei der Beklagten krankenversicherte … (L.) erlitt am 01.06.2014 bei einem Motorradunfall eine Beckenfraktur Typ C, die mit einer Osteosynthese des rechten Iliosacralgelenks (ISG) mit zweifacher ISG-Verschraubung versorgt wurde.

Aufgrund einer persistierenden Infektion mit Fistelbildung in diesem operativ versorgten Bereich wurde L. nach entsprechender Verordnung durch den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. … am 12.01.2015 in der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungs-Chirurgie der Kliniken …, deren Trägerin die Klägerin ist, aufgenommen und dort bis zum 19.01.2015 stationär behandelt. Hierbei wurden am 12.01.2015 die ISG-Schrauben entfernt und eine nochmalige Wundversorgung durchgeführt.

Die Klägerin stellte der Beklagten für diese stationäre Krankenhausbehandlung mit Rechnung vom 12.02.2015 einen Gesamt-Betrag von 2.804,99 € (ohne Selbstbeteiligung i.H.v. 80,00 €) in Rechnung, der von der Beklagten zunächst auch in vollem Umfang gezahlt wurde. Hierbei brachte die Klägerin die Diagnosis Related Group (DRG) I23B (“Lokale Exzision und Entfernung von Osteosynthesematerial außer an Hüftgelenk, Femur und Wirbelsäule ohne komplizierenden Eingriff am Knochen„) in Ansatz.

Die Beklagte beauftragte daraufhin mit Schreiben vom 19.02.2015 den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg mit der Durchführung einer Fehlbelegungsprüfung und teilte dies der Klägerin ebenfalls mit Schreiben vom 19.02.2015 mit. In seinem daraufhin erstellten Gutachten vom 13.07.2015 gelangte Dr. … zu dem Ergebnis, eine stationäre Behandlungsnotwendigkeit ab 17.01.2015 sei nicht nachvollziehbar. Eine Entlassung am 17.01.2015 wäre medizinisch möglich gewesen.

Gestützt hierauf begehrte die Beklagte von der Klägerin mit Schreiben vom 17.07.2015 die Erstattung des ihrer Ansicht nach von ihr zu Unrecht gezahlten Betrages von 491,58 €. Nachdem dieses Begehren erfolglos geblieben war, verrechnete die Beklagte - nach Angaben der Klägerin - am 25.08.2015 die ihrer Ansicht nach zu Unrecht i.H.v. 491,58 € gezahlte Vergütung mit einer anderen unstreitig bestehenden Forderung der Klägerin ihr gegenüber.

In der Folgezeit stellte die Klägerin fest, dass anstelle der abgerechneten DRG I23B die DRG T01C (“OR-Prozedur bei infektiösen und parasitären Krankheiten ohne komplexe OR-Prozedur, ohne komplizierende Konstellation, außer bei Zustand nach Organtransplantation, außer bei Sepsis„) hätte abgerechnet werden müssen. Aus diesem Grunde erstellte sie eine neue Rechnung, datierend vom 28.10.2015, mit der sie unter Ansatz der DRG T01C von der Beklagten die Zahlung eines Betrages von insgesamt 5.296,84 € (ohne Selbstbeteiligung) verlangte.

Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 05.11.2015 eine Begleichung dieser Rechnung mit der Begründung ab, die zulässige Frist zur Änderung der Daten habe bereits geendet, die Rechnungskorrektur könne daher keine Berücksichtigung mehr finden.

Die Klägerin hat daraufhin am 11.12.2015 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) mit dem Begehren erhoben, die Beklagte zur Zahlung von 2.983,43 € zu verurteilen. Dieser Betrag ergebe sich aus der Differenz zwischen dem mit Rechnung vom 28.10.2015 geltend gemachten Rechnungsbetrag und dem auf die Rechnung vom 12.02.2015 bereits bezahlten Betrag. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, die nachträgliche Rechnungsänderung sei unter Be...

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