Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. angemessene Unterkunftskosten. Produkttheorie. konkrete Verfügbarkeit. Beweislast. Kostensenkungsaufforderung. inhaltliche Voraussetzung. Wohnungssuchanzeige als Wohnungsbeschaffungskosten
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Beurteilung, ob der Aufwand für eine Unterkunft angemessen ist, ist zunächst im Rahmen einer abstrakten Angemessenheitsprüfung zu klären, welche Kosten der Unterkunft für einen Hilfebedürftigen im konkreten Wohnort abstrakt angemessen sind. Hierfür ist auf die Produkttheorie abzustellen. Für die Angemessenheit der Aufwendungen für eine Unterkunft kommt es daher nicht auf individuelle Merkmale der tatsächlich bewohnten Wohnung an. Eine Bestimmung der nach § 22 Abs 1 SGB 2 angemessenen Kosten der Unterkunft anhand des Baujahres der konkreten Wohnung ist nicht mit der Produkttheorie zu vereinbaren und führt zu unbilligen Ergebnissen.
2. In einem zweiten Schritt ist im Rahmen der Angemessenheit zu prüfen, ob für die Hilfebedürftigen tatsächlich auch die Möglichkeit besteht, eine abstakt als angemessen eingestufte Wohnung anmieten zu können. Insoweit obliegt es zunächst dem Hilfebedürftigen, substantiiert darzulegen, dass eine andere bedarfsgerechte, kostengünstigere Unterkunft im Bedarfszeitraum auf dem örtlichen Wohnungsmarkt nicht vorhanden bzw trotz ernsthafter und intensiver Bemühungen nicht auffindbar oder eine vorhandene Unterkunft nicht zugänglich war.
3. Die Kosten für einen Pkw-Stellplatz bzw eine Garage sind, da es sich hiernach bereits dem Wortlaut nach nicht um Kosten der Unterkunft handelt, ausschließlich dann zu übernehmen, wenn die Wohnung 1) nicht ohne den Stellplatz anmietbar ist und 2) sich der Mietpreis bei fehlender “Abtrennbarkeit„ noch innerhalb des Rahmens der Angemessenheit für den maßgeblichen Wohnort hält.
Orientierungssatz
1. Als Erkenntnisquellen für die Ermittlung des maßgeblichen Mietniveaus kommen örtliche Mietspiegel oder Mietdatenbanken in Betracht. Fehlen derartige Erkenntnismöglichkeiten, sind die Grundsicherungsträger gehalten, für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich eigene auf empirischer Basis tragfähige grundsicherungsrelevante Mietspiegel oder Tabellen zu erstellen. Die bloß punktuelle sporadische Auswertung von Zeitungsanzeigen oder Internetangeboten reicht nicht aus. Es ist daher auch nicht ohne weiteres zulässig, eine Pauschalierung anhand der Tabellen zu § 8 WoGG 2 vorzunehmen.
2. Können keine Mietspiegel oder Mietdatenbanken zur Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises herangezogen werden, so können zur Hilfestellung Mietpreisübersichten des Verbandes Deutscher Makler oder anderer privater Organisationen herangezogen werden.
3. Eine Herabbemessung auf die abstrakt angemessenen Unterkunftskosten kommt nicht erst dann in Betracht, wenn dem Hilfebedürftigen ein konkretes Wohnungsangebot durch den Grundsicherungsträger unterbreitet wird; vielmehr genügt die realistische Chance, eine Unterkunftsalternative anmieten zu können, wobei es auf eine bestimmte Anzahl von Wohnungsalternativen nicht ankommt.
4. Eine Kostensenkungsaufforderung hat Aufklärungs- und Warnfunktion, damit der Hilfebedürftige Klarheit über die angemessenen Unterkunfts- und Heizkosten sowie einen Hinweis auf die Rechtslage erhält. Sind dem Hilfebedürftigen die maßgeblichen Gesichtspunkte bekannt, so bedarf es nicht einmal der Aufklärung. Insoweit genügt regelmäßig die Angabe des angemessenen Mietpreises.
5. Bei einer Wohnungssuchanzeige handelt es sich zwar um Wohnungsbeschaffungskosten. Ein Anspruch auf die Zusicherung einer Kostenübernahme für eine solche Anzeige besteht jedoch erst dann, wenn erfolglose intensive Bemühungen über einen längeren Zeitraum dokumentiert sind.
Tenor
1.) Die Klagen werden abgewiesen.
2.) Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten
3.) Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten 1.) über die Höhe der der Klägerin bewilligten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der Zeit vom 01.05.2006 bis 31.10.2006, wobei insbesondere die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft streitig ist und 2.) über einen Kostenersatz für eine Wohnungssuchanzeige.
Die am ... geborene Klägerin beantragte erstmals am 10.11.2004 bei der Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Die Klägerin legte hierbei einen Mietvertrag vom 25.08.2003 über eine 2 ½-Zimmer-Wohnung in der ... in ... vor. Die Wohnfläche beträgt ca. 40 qm (Bl. 3 d. Verw.-Akte). Die Kaltmiete beträgt 400,-- €. Hinzu kommen 35,-- € für eine Garage sowie eine Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 105,-- €. Der monatlich an den Vermieter zu zahlende Betrag beläuft sich daher auf 540,-- € (Bl. 12 d. Verw.-Akte).
Mit Bescheid vom 21.01.2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin hieraufhin Leistungen für die Zeit vom 01.01.2005 bis 30.06.2005 in Höhe von monatlich 901,56 €. Als Kosten der Unterkunft anerkannte die Beklagte hierbei die tatsächlich zu leistende Zahlung in Höhe von 540,-- € an, von der lediglich ein Warmwasser-Anteil...