Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsmaßstab. Kostensenkungsverfahren. Nachweis einer konkreten Unterkunftsalternative. Beweislast
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Angemessenheit der tatsächlichen Aufwendungen für eine Unterkunft kommt es nicht auf die Angemessenheit der tatsächlich gezahlten Kosten für die tatsächlich bewohnten Räumlichkeiten im Sinne einer Proportionalitätsprüfung an, sondern darauf, welcher Mietzins abstrakt unter Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen Gegebenheiten für den Hilfebedürftigen angemessen ist.
2. Auf die Frage, ob die auf abstrakter Ebene ermittelten angemessenen Unterkunftskosten sich in konkreten Wohnungsangeboten niederschlagen bzw auf das Aufzeigen konkreter Wohnungsalternativen kommt es nicht an, wenn der Hilfebedürftige keine Nachweise über eine ernsthafte und intensive Wohnungssuche vorlegt.
3. Der Leistungsträger ist nur dann verpflichtet, den Nachweis einer konkreten, kostengünstigeren Unterkunft zu führen, wenn er auch dann nur noch die angemessenen statt der tatsächlichen Unterkunftskosten übernehmen will, obwohl der Hilfebedürftige aufgrund eigener Suchbemühungen den Nachweis geführt hat, dass es zu dem abstrakt angemessenen Mietzins im konkreten zeitlichen und räumlichen Rahmen keine Wohnungen anzumieten gibt.
Orientierungssatz
1. Zur Ermittlung der abstrakten Angemessenheitsgrenze iS des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 unter Berücksichtigung der landesrechtlichen Vorschriften in Baden-Württemberg und unter Rückgriff auf einen Mietspiegel der Kreisstadt des benachbarten Landkreises.
2. Soweit das BSG die Auffassung angedeutet hat, dass es generell Sache des Grundsicherungsträgers sei, konkrete Unterkunftsalternative für die Zeit nach der Kostensenkungsaufforderung nachzuweisen (BSG vom 19.3.2008 - B 11b AS 43/06 R), oder dass es gar Gegenstand der gerichtlichen Sachaufklärung sei, ob nach der Struktur des jeweiligen Wohnungsmarktes der Hilfebedürftige die konkrete Möglichkeit hatte, eine abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung konkret anzumieten (BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 3), erscheint dies nicht nur praxisfern, sondern überzeugt auch in rechtlicher Hinsicht nicht. Die Darlegungs- und Beweislast insoweit dem Hilfebedürftigen aufzuerlegen, findet hingegen seine Grundlage im Grundgedanken, der der Schaffung des SGB 2 zugrunde lag und der generalklauselartig in § 2 SGB 2 seinen normativen Niederschlag gefunden hat.
3. Zu den Anforderungen an den Inhalt der Kostensenkungsaufforderung iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB 2 nF.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der von der Beklagten zu erstattenden Kosten für Unterkunft und Heizung im Rahmen der Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. Dezember 2007 bis zum 31. Mai 2008.
Die Klägerin bezieht seit Januar 2005 Leistungen nach dem SGB II. Sie bewohnt alleine eine Mietwohnung in ... mit einer Gesamtgröße von 40 m² und einem Wohnflächenanteil von 25 m². Sie zahlt einen Kaltmietzins in Höhe von 325 € monatlich. Sie zahlt zudem monatlich Heizkosten in Höhe von 25 € sowie sonstige Nebenkosten in Höhe von 50 €.
Mit Schreiben vom 20. November 2006 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass durch sie nur die angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung übernommen werden könnten. Die Grundmiete in Höhe von 325 € sei nicht angemessen. Hierfür rechtlich angemessen sei ein Betrag in Höhe von 285 €. Die tatsächlich anfallenden Kosten würden zunächst bis zum 31. Mai 2007 berücksichtigt. Die Beklagte forderte die Klägerin auf, bis zu diesem Datum nach Möglichkeiten zur Verringerung der monatlichen Mietkosten zu suchen. Dabei komme insbesondere ein Umzug in eine kostengünstigere Wohnung in Frage. Die Bemühungen seien durch geeignete Unterlagen (z. B. Zeitungsannoncen, Anzeigenrechnungen, Durchschriften von Schreiben an mögliche Vermieter, Eintragung in die Liste der Wohnungssuchenden und anderes) nachzuweisen. Wenn die geforderten Nachweise über die Bemühungen zur Verringerung der Unterkunftskosten nicht bis zum 31. Mai 2007 vorliegen, könnten ab dem 1. Juli 2007 bei den Leistungen nach dem SGB II nur noch die angemessenen Unterkunftskosten in Höhe von 285 € berücksichtigt werden.
Mit Bescheid vom 7. November 2007 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen für Dezember 2007 bis Mai 2008 in Höhe von monatlich insgesamt 692,68 €. Darin ist ein Betrag für Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 345,68 € enthalten, darin wiederum ein Betrag für die Kaltmiete in Höhe von 285 €.
Hiergegen legte die Klägerin am 6. Dezember 2007 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass die Kosten für Unterkunft und Heizung zu niedrig berechnet worden seien, da ihre Wohnung 1994 umgebaut und saniert worden sei und somit in die gleiche Kategorie wie ein Neubau falle. Sie beantrage die Übernahme der tatsächlichen Mietkosten...