Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung bei Erwerbsminderung. Regelsatzanpassung bei Bedarfsgemeinschaften mit Zugehörigkeit eines volljährigen Hilfebedürftigen zum Regelungsbereich des SGB 12 und des anderen zum SGB 2

 

Orientierungssatz

1. Der Gesetzgeber geht von einem einheitlichen Regelbedarf bei einer Bedarfsgemeinschaft nach SGB 2 oder SGB 12 aus. Eine Bedarfsüberdeckung oder -unterdeckung durch die Zugehörigkeit des einen volljährigen Haushaltsangehörigen zum Regelungsbereich des SGB 2 und des anderen zum SGB 12 ist durch eine Regelsatzanpassung auszugleichen. Da das SGB 2 entgegen dem SGB 12 nicht zwischen Haushaltsvorständen und Haushaltsangehörigen unterscheidet, ist eine entsprechende Anpassung nach § 28 SGB 12 vorzunehmen.

2. Es bleibt offen, ob die Regelsatzanpassung nach § 28 Abs 1 S 2 SGB 12 zu erfolgen hat oder der Mischregelsatz aus § 28 Abs 1 S 1 SGB 12 (vgl hierzu LSG Schleswig vom 8.8.2005 - L 9 B 158/05 SO ER) zu Grunde zu legen ist.

3. Der Gesetzgeber hat es in der Vorschrift des § 42 S 1 Nr 1 SGB 12 unterlassen, ausschließlich auf den maßgebenden Regelsatz nach § 28 Abs 1 S 1 SGB 12 zu verweisen. Daher bestimmt sich der Regelsatz nur im Regelfall nach § 28 Abs 1 S 1 SGB 12. Unter Berücksichtigung des im Sozialhilferecht geltenden Bedarfsdeckungsgrundsatzes liegt ein individuell abweichender Bedarf iS von § 28 Abs 1 S 2 SGB 12 immer dann vor, wenn der Regelbedarf nach § 28 Abs 1 S 1 SGB 12 das soziokulturelle Existenzminimum nicht deckt. Daher war hier eine Regelsatzanpassung nach § 42 S 1 Nr 1 SGB 12 iVm § 28 Abs 1 S 2 SGB 12 vorzunehmen.

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 14.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2005 verurteilt, dem Kläger ab dem 1. Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Erwerbsunfähige unter Zugrundelegung eines Mischregelsatzes in Höhe von 311,- Euro zu gewähren.

Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt höhere Leistungen der Grundsicherung für Erwerbsunfähige.

Der 1940 geborene Kläger lebt zusammen mit seiner Ehefrau, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende erhält. Der Kläger bezog seit Anfang 2003 ergänzende Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz. Zudem bezog er eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Die Ehefrau des Klägers erhielt seit dem 1. Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch in Höhe von 503,03 Euro. Hierin war eine Regelleistung in Höhe von 311,- Euro enthalten.

Mit Bescheid vom 14. Dezember 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen in Höhe von 80,03 Euro ab Januar 2005 nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI). Hierbei legte die Beklagte einen Regelbedarf in Höhe von 276,- Euro zugrunde.

Am 7. Januar 2005 erhob der Kläger Widerspruch. Diesen begründete er damit, dass er nicht mehr als Haushaltsvorstand geführt werde. Hiergegen hätte er nichts einzuwenden, wenn seine Frau, die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erhalte, als Haushaltsvorstand geführt werde. Dies sei jedoch nicht der Fall.

Mit Bescheid vom 20. April 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie begründete den Widerspruch im Wesentlichen mit der Eigenschaft des Klägers als Haushaltsangehöriger, da die Ehefrau durch ihr höheres Einkommen über das Haupteinkommen verfüge. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 der Regelsatzverordnung ergebe sich ein Regelbedarf nach § 42 SGB XII i.V.m. § 28 SGB XII in Höhe von 276,- Euro.

Der Kläger hat am 29. April 2005 die Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.

Er trägt vor, es sei ihm egal, wer als Haushaltsvorstand geführt werde, gegenwärtig fehlten ihm und seiner Ehefrau monatlich 34,- Euro.

Mit Beschluss vom 29. April 2004 wurde die Arbeitsgemeinschaft Lübeck zu Verfahren beigeladen.

Der Kläger beantragt sinngemäß schriftsätzlich,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 14. Dezember 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2004 zu verurteilen, ihm ab dem 1. Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Erwerbsunfähige unter Zugrundelegung eines Mischregelsatzbedarfes in Höhe von 311,-- Euro zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt in Ergänzung ihres Vorbringens im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes vor, dass die Regelungsdivergenzen im SGB II und SGB XII nicht zu ihren Lasten gelöst werden dürfte. Würde mit dem Landessozialgericht davon ausgegangen, dass der Kläger Haushaltsvorstand sei, stünden der Bedarfsgemeinschaft 190 v.H. des Eckregelsatzes zu. Hierdurch erhielten sie 10 v.H. zu viel. Der Kläger habe einen ergänzenden Anspruch gegen die Beigeladene aus § 28 Abs. 1 SGB II. Der Ausschluss des § 28 Abs. 1 SGB II greife nur soweit Leistungen nach dem SGB XII gewährt würden. Zwar solle nach der ursprünglichen gesetzlichen Intention der § 28 Abs. 1 SGB II nicht der Regelsatzergänzung im Bereich des SGB XII d...

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