Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter. Regelsatzanpassung bei Bedarfsgemeinschaften mit Zugehörigkeit eines volljährigen Hilfebedürftigen zum Regelungsbereich des SGB 12 und des anderen zum SGB 2. verfassungskonforme Auslegung

 

Orientierungssatz

1. Wenn nur ein Mitglied des Haushalts Einkommen erzielt oder ein Mitglied höheres Einkommen als das andere Mitglied hat, ist zwar in der Regel anzunehmen, dass dieses Mitglied auch überwiegend die Generalunkosten der Haushaltsführung trägt. Doch gilt diese Regelvermutung dann nicht, wenn hierzu Feststellungen nicht möglich sind, etwa weil kein Mitglied des Haushalts eigenes Einkommen erzielt oder alle Mitglieder etwa gleiches Einkommen haben (vgl OVG Lüneburg vom 24.6.1996 - 4 L 3002/94 = ND MBl 1997, 76).

2. Beteiligen sich beide Eheleute oder beide Partner der eheähnlichen Gemeinschaft an Generalunkosten des Haushalts, so ist die Differenz zwischen den Richtsätzen für den Haushaltsvorstand und einen Haushaltsangehörigen je nach der Höhe ihrer Beteiligung unter den Partnern aufzuteilen. Trägt ein Partner die Lasten und Generalunkosten nicht allein, aber lässt sich auch ein bestimmtes Beteiligungsverhältnis nicht feststellen, so ist schließlich jedem Partner die Hälfte der Differenz zwischen den Richtsätzen zu bewilligen (vgl BVerwG vom 27.2.1963 - V C 105.61 = BVerwGE 15, 306). Der in diesen Fällen zu bildende Mischregelsatz verteilt die Differenz zwischen dem Regelsatz des Haushaltsvorstands und dem des Haushaltsangehörigen zu gleichen Teilen (vgl OVG Lüneburg, aaO).

3. Der so genannte Mischregelsatz findet auch im Rahmen der Grundsicherung im Alter nach § 42 SGB 12 Anwendung.

4. Der Gesetzgeber geht von einem einheitlichen Regelbedarf bei einer Bedarfsgemeinschaft nach SGB 2 oder SGB 12 aus. Eine Bedarfsüberdeckung oder -unterdeckung durch die Zugehörigkeit des einen volljährigen Haushaltsangehörigen zum Regelungsbereich des SGB 2 und des anderen zum SGB 12 ist durch eine Regelsatzanpassung auszugleichen. Da das SGB 2 entgegen dem SGB 12 nicht zwischen Haushaltsvorständen und Haushaltsangehörigen unterscheidet, ist eine entsprechende Anpassung nach § 28 SGB 12 vorzunehmen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe dem Kläger Regelsatzleistungen im Rahmen der Grundsicherung im Alter nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zustehen.

Der 1938 geborene Kläger lebt zusammen mit seiner Ehefrau, die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) erhält. Neben den anteiligen Unterkunftskosten gewährt ihr die Arbeitsgemeinschaft L monatliche Regelleistungen in Höhe von 311,- Euro. Darüber hinaus gehendes Einkommen hat sie nicht.

Mit Bescheid vom 22. Dezember 2004 gewährte die Beklagte dem Kläger Leistungen zur Grundsicherung im Alter. Neben den anteiligen Unterkunftskosten erhielt er als Haushaltsangehöriger einen monatlichen Regelsatz in Höhe von 276,00 Euro. Hiergegen erhob der Kläger am 26. Dezember 2004 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, er habe einen Anspruch auf einen höheren Regelsatz. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. April 2005 zurück. Sie trug vor, dass der Kläger nach der maßgebenden Regelsatzverordnung der Kläger als Haushaltsangehöriger einzustufen sei. Entsprechend betrage sein Regelsatz 80 % des Eckregelsatzes eines Haushaltsvorstandes, mithin 276,00 Euro. Einen Regelsatz in Höhe von 90 % des Eckregelsatzes (311,00 Euro) bei Partnern, wie es das SGB II vorsehe, gäbe es im SGB XII nicht. Da die Ehefrau des Klägers 502,74 Euro nach der Grundsicherung für Arbeitssuchende erhalte, seien diese Zahlungen als Einkommen zu betrachten. Der Kläger hingegen beziehe kein Einkommen. Damit trage die Ehefrau des Klägers die Hauptkosten der Bedarfsgemeinschaft und sei damit als Haushaltsvorstand anzusehen.

Hiergegen richtet sich die am 13.5.2005 eingegangene Klage. Zur Begründung führt Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, der Gesetzgeber gehe davon aus, dass einer Bedarfsgemeinschaft - bestehend aus zwei volljährigen Angehörigen - ein Regelbedarf von insgesamt 622,00 bzw. 621,00 Euro zustünde. Da die Arbeitsgemeinschaft der Ehefrau einen höheren Regelsatz in Höhe von 345,00 Euro versagt habe, müsse die Beklagte eine Anpassung des Bedarfes vornehmen.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 20.12.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.4.2005 zu verurteilen, dem Kläger Regelleistungen zur Grundsicherung im Alter in Höhe von 310,00 Euro monatlich zu zahlen.

Die Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 08.06.2005 (Blatt 8 der Akte),

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt die Beklagte in Ergänzung ihres bisherigen Vortrages aus, die Arbeitsgemeinschaft Lübeck sei verpflichtet, der Ehefrau des Klägers einen Regelsatz in Höhe von 345,00 Euro zu zahlen. Der Regelsatz des Klägers bestimme sich ausschließlich nach den Vorschriften des SGB XII iVm der Landesverordnung. Danach stünde dem Kläger lediglich ein Regelsa...

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