Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Krankenversicherung: Genehmigungsfiktion bei nicht rechtzeitiger Entscheidung über einen Leistungsantrag durch die gesetzliche Krankenkasse. Zulässigkeit der Rücknahme einer Leistungsgenehmigung durch Fiktion. Zulässigkeit der Geltendmachung von Leistungsansprüchen aus einer Bewilligungsfiktion im Wege einer Leistungsklage

 

Orientierungssatz

1. Erfolgt auf einen Antrag eines in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten auf Gewährung von Leistungen (hier: Schlauchmagenoperation) keine rechtzeitige Entscheidung, so kann aus der dadurch eintretenden Genehmigungsfiktion der Leistungserbringung nicht nur ein Kostenerstattungsanspruch abgeleitet werden. Vielmehr bewirkt die Genehmigungsfiktion auch einen Sachleistungsanspruch.

2. Die Rücknahme einer durch Fiktion eingetretenen Leistungsbewilligung kann nur dann erfolgen, wenn sich die Leistungsbewilligung selbst als von Anfang an rechtswidrig darstellt.

3. Leistungsansprüche gegen die gesetzliche Krankenversicherung auf Übernahme von Behandlungskosten, die sich aus einer Genehmigungsfiktion wegen nicht rechtzeitig erfolgter Entscheidung über einen Antrag ergeben, sind im Wege der Leistungsklage geltend zu machen. Das gilt auch dann, wenn die Krankenkasse zwischenzeitlich einen Aufhebungsbescheid erlassen hat, um die Leistungsgewährung zu verhindern.

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin mit einer Schlauchmagenoperation zu versorgen.

2. Der Bescheid vom 20.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.09.2016 wird aufgehoben.

3. Die Beklagte hat der Klägerin deren notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Versorgung mit einer Schlauchmagenoperation.

Die 1958 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie leidet an einer Adipositas Grad III mit diversen Begleiterkrankungen.

Unter Vorlage einer ausführlichen Stellungnahme des Krankenhauses S… beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 09.02.2016 (Eingang bei der Beklagten am 12.02.2016) die “Bewilligung der Kostenübernahme für eine Magenverkleinerungs-Operation„. Aus dem Arztbrief ergibt sich der konkrete Plan, eine laparoskopische Schlauchmagen-Operation durchführen zu lassen.

Mit Schreiben vom 17.02.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie für die abschließende Bearbeitung ein mindestens zweiwöchiges Ernährungsprotokoll benötige. Die Beklagte wies weiter vorsorglich darauf hin, dass die Einhaltung “Fünfwochenfrist„ des § 13 Abs. 3a SGB V auf Grund der fehlenden Unterlagen sowie der notwendigen Einbindung des Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) nicht möglich sei. Nähere Angaben über einen möglichen Entscheidungszeitpunkt enthielt das Schreiben nicht.

Die Klägerin ließ der Beklagten unter dem 29.02.2016 ein Ernährungsprotokoll zukommen.

Nach Einholung von Stellungnahmen des MDK N… nach Aktenlage vom 10.03.2016 und vom 18.05.2016 bei zwischenzeitlicher weiterer medizinischer Aufklärung unter Mitwirkung der Klägerin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20.06.2016 die “Übernahme der Kosten„ für die geplante bariatrische Operation ab.

Den hiergegen erhoben Widerspruch wies die Beklagte nach Einholung weiterer Stellungnahmen durch den MDK N… und den MDK R… mit Widerspruchsbescheid vom 07.09.2016 als unbegründet zurück.

Der Kläger hat am 07.10.2016 Klage erhoben. Sie beruft sich in erster Linie auf den Eintritt einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V.

Er beantragt erkennbar,

den Bescheid der Beklagten vom 20.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.09.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin mit einer Schlauchmagenoperation als Sachleistung zu versorgen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass ein Leistungsanspruch nicht aus § 13 Abs. 3a SGB V hergeleitet werden könne.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestands, insbesondere zum weiteren Vorbringen der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen. Er war Gegenstand der Entscheidungsfindung.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Gericht konnte gem. § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt soweit entscheidungserheblich geklärt ist und die Beteiligten zuvor gehört worden sind.

Die Klage ist als Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG), im Wege der nach § 56 SGG zulässigen objektiven Klagehäufung verbunden mit einer Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG, statthaft. Sie ist auf die Versorgung der Klägerin mit einer Schlauchmagenoperation als Sachleistung gerichtet.

Die Klägerin kann das Ziel der Verurteilung der Beklagten zur Gewährung der beantragten Maßnahme zulässigerweise im Wege der allgemeinen Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG verfolgen, da, soweit das Begehren auf den Eintritt einer Genehmigungsfiktion n...

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