Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Krankenversicherung: Genehmigungsfiktion bei nicht rechtzeitiger Entscheidung über einen Leistungsantrag durch die gesetzliche Krankenkasse. Leistungspflicht im Rahmen einer Genehmigungsfiktion für eine Liposuktionsbehandlungen. Zulässigkeit der Geltendmachung eines Sachleistungsanspruchs auf der Basis einer Genehmigungsfiktion

 

Orientierungssatz

1. Wurde durch einen Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung die Übernahme der Kosten für eine ambulante Behandlung beantragt und durch die Krankenkasse daraufhin die Kostenübernahme für eine entsprechende stationäre Behandlung abgelehnt, so wahrt diese Ablehnung nicht die Entscheidungsfrist bezüglich des eigentlich gestellten Antrags. Bezüglich dieses Antrags tritt deshalb die Genehmigungsfiktion ein.

2. Eine Genehmigungsfiktion bei nicht fristgerechter Entscheidung über einen Leistungsantrag durch eine gesetzliche Krankenversicherung ist nicht auf einen Kostenerstattungsanspruch beschränkt, sondern kann auch einen Sachleistungsanspruch begründen.

3. Eine ambulante Liposuktionsbehandlung an Armen und Beinen liegt jedenfalls nicht generell außerhalb des Leistungsspektrums der gesetzlichen Krankenkassen, so dass aus einer Genehmigungsfiktion nach nicht fristgerechter Entscheidung über den Leistungsantrag durch die gesetzliche Krankenkasse ein Leistungsanspruch auf Gewährung einer solchen Liposuktionsbehandlung entstehen kann.

4. Die Rücknahme einer durch Fiktion eingetretenen Leistungsbewilligung kann nur dann erfolgen, wenn sich die Leistungsbewilligung selbst als von Anfang an rechtswidrig darstellt.

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin mit ambulanten Liposuktionsbehandlungen an den Armen und Beinen zu versorgen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Beklagte hat der Klägerin deren notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Versorgung mit ambulanten Liposuktionsbehandlungen.

Die 1970 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie leidet an Lipödemen im Stadium II an beiden Armen und Beinen.

Am 17.06.2016 beantragte sie die Kostenübernahme für Liposuktionsbehandlungen an Armen und Beinen. Sie legte hierzu einen Arztbrief der L... C... Dr. H... vom 09.06.2016 vor, in dem für die Klägerin insgesamt vier ambulant durchzuführenden Liposuktionsbehandlungen an Unterschenkeln, Oberschenkelvorderseite, Oberschenkelrückenseite und Armen beantragt wurden. Beigefügt waren Kostenvoranschläge für alle vier ambulanten Operationen zu Gesamtkosten in Höhe von 23.980 Euro.

Mit Bescheid vom 20.06.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie einen Antrag auf Übernahme der Kosten für eine stationär durchzuführende Liposuktion in einer Privatklinik zugesandt habe. Die Liposuktion sei eine Behandlungsmethode, bei der der Nutzen und die Wirtschaftlichkeit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung nicht abschließend belegt seien, Der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (G-BA) bewerte regelmäßig neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu denen auch die Liposuktion gehöre. Derzeit liege keine Empfehlung des G-BA zur Liposuktion vor, da die Anforderungen an Qualität und Wirtschaftlichkeit nicht erfüllt seien. Somit handele es sich um eine Leistung, die nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkasse vorhanden sei. Zudem handele es sich bei der L... C... Dr. H... um eine Privatklinik, die nicht nach § 108 SGB V zugelassen sei. Eine Kostenübernahme durch die Beklagte könne daher nicht erfolgen.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.03.2017 zurück.

Die Klägerin hat am 15.04.2017 Klage erhoben.

Sie beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Bescheid der Beklagten vom 20.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.03.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin eine mehrschrittige Liposuktion der Arme und Beine als Sachleistung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung beruft sie sich zunächst auf den Widerspruchsbescheid. Auf den Hinweis des Gerichts, dass in Folge der Ablehnung lediglich einer stationären Liposuktionsbehandlung mit dem Bescheid vom 20.06.2016 eine Genehmigungsfiktion hinsichtlich der beantragten ambulanten Liposuktionsbehandlungen eingetreten sein könnte, trägt sie ergänzend vor, dass der Widerspruchsbescheid vom 15.03.2017 zwar allgemeine Ausführungen zur stationären und ambulanten Liposuktionsbehandlung enthalte. Jedoch heiße es auf Seite 4 des Bescheides: “Sie beantragten am 17.06.2016 die Kostenübernahme einer ambulanten Liposuktion in der L... C... Dr. H... in M.„ Auch der MDK habe in seinem Gutachten vom 22.11.2016 auf Seite 2 geschrieben, dass “die Liposuktionen ambulant in der L...C... Dr. H... durchgeführt werden sollen. Somit sei seitens der Beklagten eine ambulante Liposuktion abgelehnt worden. Auch wenn die Beklagte über den Antrag auf eine ambulante Liposuktion noch nicht ent...

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