Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewaltopferentschädigung. Schockschaden. Gewalttat gegenüber dem Primäropfer. rechtsfähige natürliche Person. Toter
Orientierungssatz
Zum Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Gewaltopferentschädigung wegen eines sog "Schockschadens" mangels Vorliegens einer Gewalttat iS des § 1 Abs 1 OEG gegenüber dem Primäropfer (hier: Anspruch einer Großmutter auf Grund sexueller Manipulationen an ihrer toten Enkelin).
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Versorgungsrente nach dern Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit den Bestimmungen des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).
Die Klägerin ist die Großmutter der ....1987 geborenen und ....1999 bei einem Verkehrsunfall getöteten Andrea Sch Bei diesem Unfall (Zusammenstoß eines PKW mit einer Straßenbahn) kam auch der Ehemann der Klägerin ums Leben.
Am Abend des 20.2.1999 verging sich der Täter Z. in der Leichenhalle des Hauptfriedhofes L/Rhein u. a. an der Enkelin der Klägerin. Er wurde vom Landgericht F wegen Störung der Totenruhe in zwei Fällen rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
Im September/Oktober 1999, später nochmals mit Eingang im November 1999, reichte die Klägerin beim Amt für soziale Angelegenheiten Landau/Pfalz einen Versorgungsantrag ein. Am 20.2.1999 habe es in L in der S straße eine Kollision der Straßenbahn mit dem PKW ihres Mannes gegeben, in welchem auch ihre Enkeltochter gesessen habe. Beide seien auf der Stelle tot gewesen. Sie seien in die Leichenhalle des Hauptfriedhofes L gebracht worden. Am späten Abend sei Z., zurzeit Pfalzklinik K, von Mitarbeitern des Städtischen Bestattungsinstituts an der Leiche ihrer 11-jährigen Enkeltochter entdeckt worden. Er habe gerade den Geschlechtsverkehr mit der Toten beendet gehabt. Sie, die Antragstellerin, leide aufgrund dieser Geschehnisse an schweren Depressionen und Schlafstörungen sowie an Angstzuständen und habe große psychische Probleme.
Zur weiteren Begründung war ein Attest der Psychiatrischen Gemeinschaftspraxis Dres. E/H vom 1.10.1999 beigefügt. Darin heißt es unter Diagnosen: Akuter depressiver Verstimmungszustand; stationäre psychosomatische Behandlung in Bad N dringend erforderlich; ambulante Therapie nicht mehr ausreichend.
Mit Bescheid vom 4.1.2000 lehnte das Amt für soziale Angelegenheiten Landau/Pfalz den Antrag auf Versorgung nach dem OEG ab. Gemäß § 1 Abs. 1 OEG erhalte Versorgung, wer infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder gegen eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten habe. Die Voraussetzungen des § 1 OEG lägen nur dann vor, wenn die Anspruchsvoraussetzungen bewiesen seien. Anspruchsbegründende Tatsache im Sinne des § 1 OEG sei u. a. ein vorsätzlicher/rechtswidriger/tätlicher Angriff. Dieser müsse nachgewiesen sein, d. h. es müsse eine so hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass ein solcher Angriff stattgefunden habe, und dass darauf die Überzeugung von der Wahrheit und nicht der bloßen Wahrscheinlichkeit gegründet werden könne. Im Rahmen dieser Bestimmung sei unerheblich, ob der tätliche Angriff dem Geschädigten selbst oder einer anderen Person gegolten habe, so dass ein Schock, den jemand infolge eines tätlichen Angriffs auf eine andere Person erleide, unter bestimmten Umständen eine unmittelbare (wohl: mittelbare) Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG sein könne. Voraussetzung sei aber grundsätzlich, dass ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff gegen eine Person stattgefunden habe. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Falle nicht gegeben. Gemäß § 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) beginne die Rechtsfähigkeit des Menschen mit der Vollendung der Geburt und ende als Ganzes durch den Tod. Damit ende auch die Eigenschaft als natürliche Person. Demzufolge könnten aber die sexuellen Manipulationen des Schädigers an der Enkeltochter der Antragstellerin nicht als tätlicher Angriff gegen eine Person im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG gewertet werden mit der Maßgabe, dass es bereits am Vorliegen der Grundvoraussetzungen des OEG fehle.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Der Täter habe durch die sexuellen Manipulationen an der Leiche des Kindes A gleichzeitig einen Angriff gegen die Widerspruchsführerin gerichtet. Dies ergebe sich aus § 168 StGB (Strafgesetzbuch). Diese Vorschrift schütze die Angehörigen eines Verstorbenen gegen Angriffe auf ihr Pietätsgefühl durch Störung der Totenruhe. Der Täter habe dieses Rechtsgut der Widerspruchsführerin grob verletzt. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 OEG lägen damit vor. Die Widerspruchsführerin lebe zweifelsfrei noch und sei selbst angegriffen worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.4.2000 wies das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung den Widerspruch als unbegründet zurück. Der tätliche Angriff im Sinne des Gesetzes sei eine unmittelbar auf den Körper eines Menschen zielende feindliche Einwirkung. Ein -- wie hier --...