Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. Anspruchseinschränkung. Zulässigkeit auch nach dem Urteil des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der Höhe der Grundleistungen. Verhältnismäßigkeit. Höhe und Dauer der Einschränkung. Orientierung an § 26 SGB 12

 

Leitsatz (amtlich)

Die Gewährung eingeschränkter Leistungen gem § 1a AsylbLG ist auch nach dem Urteil des BVerfG vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10 ua = SozR 4-3520 § 3 Nr 2 unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zulässig. Eine Orientierung an § 26 SGB 12 erscheint geboten.

 

Tenor

Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 07. Dezember 2012 wird abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Eilwege die (vorläufige) Verpflichtung des Antragsgegners, die ihm zustehenden Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylblG) ungekürzt auszuzahlen.

Der Antragsteller, geboren im Mai 1983 und ivorischer Staatsbürger, reiste erstmals am 28. Mai 2004 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 14. Juni 2004 Asyl. Er ist im Besitz einer befristeten Duldung gemäß § 60a Abs 2 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) und seit dem 25. November 2005 vollziehbar ausreisepflichtig.

Am 08. April 2008 teilte das zuständige Ausländeramt dem Sozialamt des Antragsgegners mit, dass der Antragsteller mit Schreiben vom 26. Januar 2007 und vom 09. Februar 2007 auf seine Mitwirkungspflichten hinsichtlich der Passbeschaffung hingewiesen worden sei und dennoch keine Nachweise vorgelegt habe.

Seit dem 01. Juni 2008 bezieht er aus diesem Grunde nur eingeschränkte Leistungen gemäß § 1a AsylbLG (Bescheid vom 09. Mai 2008). Zwischenzeitlich bemühte sich der Antragsteller über seinen Prozessbevollmächtigte bei der ivorischen Botschaft um die Ausstellung eines Passes und erfuhr dort, er müsse sich an die zuständige Behörde in Abidjan wenden. Übersandt wurde eine Liste der erforderlichen Unterlagen, ua eine Geburtsurkunde und eine Ausweiskopie. Der Antragsteller teilte dazu nicht, nicht über Personenstandsurkunden zu verfügen.

Mit Schreiben der Ausländerbehörde vom 27. Januar 2010 wurde der Antragsteller erneut auf seine Mitwirkungspflichten hingewiesen, wirkte jedoch unter Berufung auf das Nichtvorhandensein der erforderlichen Personenstandurkunden bei der Beschaffung von Ersatzpapieren weiterhin nicht mit, indem er den Antrag auf Ausstellung eines Passersatzpapieres nicht ausfüllte. Allerdings legte er im Frühjahr 2012 bei der Stadt Stade offenbar zur Prüfung der Ehevoraussetzungen gemäß Kapitel 3 des Personenstandsgesetzes (PStG) verschiedene Nachweise, datiert auf den 18. und 20. Oktober 2011, vor, darunter ein “Zeugnis über die ivorische Staatsbürgerschaft„, eine “Ledigkeitsbescheinigung„ und einen “Auszug aus dem Standesamtsregister für das Jahr 2011„. Die Echtheit der Unterlagen ist fraglich. Der Antragsgegner leitete am 30. Mai 2012 daraufhin jedoch über die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI) ein neues Verfahren zur Ausstellung eines Passersatzpapieres ein, das noch nicht abgeschlossen ist.

Derzeit - unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10 - bezieht der Antragsteller eine um ein Viertel abgesenkte Regelsatzleistung, ausgehend von 346,00 EUR als vollem Regelbedarfssatz. Weil der Unterkunftsbedarf in Form von Sachleistungen gewährt wird, kürzt der Antragsgegner den für diese Kostenposition vorgesehenen Anteil des Regelbedarfs iHv aktuell 31,33 EUR (Abt EVS 4) heraus.

Mit Bescheid vom 16. August 2012 regelte der Antragsgegner den Leistungsanspruch des Antragstellers nach dem AsylbLG ab dem Monat August 2012 und gewährte insgesamt 228,25 EUR, wovon 126,01 EUR dem Antragsteller durch Gutschein, der Rest auf ein angegebenes Konto gezahlt wurde. Hiergegen legte der Antragsteller am 14. September 2012 Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 20. September 2012 regelte der Antragsgegner den Leistungsanspruch des Antragstellers vorläufig ab dem Monat Oktober 2012 in Höhe von 228,17 EUR. Auch hiergegen legte der Antragsteller am 05. Oktober 2012 Widerspruch ein. Seit Januar 2013 bezieht der Antragsteller Leistungen gemäß § 1a AsylbLG iHv 233,44 EUR (Bescheid vom 27. November 2012). Mit Widerspruchsbescheid vom 06. November 2012 wies der Antragsgegner beide Widersprüche als unbegründet zurück. Am 07. Dezember 2012 hat der Antragsteller Klage erhoben, die unter dem Az S 33 AY 54/12 geführt wird.

Ebenfalls am 07. Dezember 2012 hat sich der Antragsteller mit dem diesem Beschluss zugrunde liegenden Eilantrag an das erkennende Gericht gewandt.

Er trägt vor, er habe Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach § 3 AsylbLG in Höhe der vom BVerfG im Urteil vom 18. Juli 2012 als Übergangsregelung bestimmten Höhe. Die Übergangsregelung lege mit Gesetzeskraft vorläufig das Existenzminimum fest. Dieses dürfe auf keinen Fall, auch nicht durch eine Leistungseinschränkung nach  § 1a AsylbLG, unterschritten werden.

Der Antragsteller beantragt,

den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichte...

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