Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. Grundleistung. Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG. Anwendbarkeit trotz Verfassungswidrigkeit der Höhe der Grundleistung. Gleichbehandlung mit Leistungsberechtigten nach dem SGB 2 und dem SGB 12. Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen. fehlende Mitwirkung bei der Passbeschaffung
Orientierungssatz
1. § 1a AsylbLG ist auch in Ansehung des Urteils des BVerfG vom 18.7.2012 - 1 BvL 10/10 ua = BVerfGE 132, 134 = SozR 4-3520 § 3 Nr 2 zur Verfassungswidrigkeit der Höhe der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG grundsätzlich weiterhin gültig und anwendbar (entgegen LSG München vom 6.2.2013 - L 15 AY 2/13 B ER = SAR 2013, 58).
2. Der Wortlaut des § 1a AsylbLG ist hinsichtlich Dauer und Höhe der Einschränkung offen und muss verfassungskonform ausgelegt werden. Umfang und Dauer der Einschränkungen nach dem AsylbLG müssen sich an denselben Maßstäben orientieren wie dies bei Einschränkungen nach dem SGB 2 und dem SGB 12 der Fall ist.
3. Zur Verhältnismäßigkeit einer Anspruchseinschränkung nach § 1a Nr 2 AsylbLG wegen fehlender Mitwirkung bei der Passbeschaffung im Einzelfall.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger wehrt sich vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 12. Juli 2012 zu Az - 1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11 - gegen die Gewährung nur eingeschränkter Leistungen gemäß § 1a Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) durch den Beklagten in den Monaten August und September 2012.
Der Kläger, geboren im Juli 1967, ist libanesischer Staatsangehöriger und seit Juli 1990 in Deutschland. Den Asylantrag lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 24. Juli 1990 als offensichtlich unbegründet ab. Der Kläger ist Vater vierer minderjähriger Kinder deutscher Staatsangehörigkeit. Ihm wurden bis in das Jahr 2009 und darüber hinaus Duldungen gemäß § 60a Abs 2 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ausgestellt. Seit Dezember 2006 bezieht er Leistungen nach dem AsylbLG vom Beklagten. Dieser bewilligte ihm mit Bescheid vom 03. Dezember 2008 in der Fassung eines Änderungsbescheids vom 12. März 2009 Leistungen gemäß § 3 AsylbLG ab Januar 2009 iHv 461,22 EUR.
Aufgrund zahlreicher Straftaten seit 1992 wies der Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 12. Januar 2005 aus und ordnete die sofortige Vollziehung der Ausweisungsverfügung an. Gegen diese erhob der Kläger am 10. Februar 2005 Klage vor dem Verwaltungsgericht Stade, das die Klage mit Urteil vom 02. Dezember 2005 abwies (VG Stade - 6 A 239/05 -). Die Ausweisungsverfügung sei rechtmäßig. Ein Ausweisungsschutz ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger mit einer Deutschen und gemeinsamen Kindern in häuslicher Gemeinschaft lebe, auch nicht unter Berücksichtigung des Art 6 Abs 1 GG bzw Art 8 EMRK. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg stellte in einem Beschluss vom 30. Juni 2010 fest, dass der Kläger es im Sinne des § 25 Abs 5 Satz 3 AufenthG zu vertreten habe, dass für ihn von den libanesischen Behörden bislang weder ein Pass noch ein für die Ausreise erforderliches Passersatzpapier ausgestellt worden seien. Denn er weigere sich, auf der Grundlage des inzwischen durch Bemühungen des Beklagten vorliegenden libanesischen Registerauszuges bei deren Botschaft einen Pass zu beantragen (OVG Lüneburg, Beschluss vom 30.06.2010 - 11 PA 250/10 -).
Mit Schreiben vom 05. Januar 2009 teilte das Ausländeramt dem für Leistungen nach AsylbLG zuständigen Sozialamt des Beklagten mit, dass sich der Kläger nicht um Identitätspapiere aus dem Libanon, die zur Passbeschaffung erforderlich seien, bemühe. Er sei zuletzt mit Schreiben vom 17. Oktober 2008 aufgefordert worden, einen Reisepass oder Nachweis darüber vorzulegen, dass die die Passbeschaffung nicht in zumutbarer Weise möglich sei. Nach Anhörung mit Schreiben vom 07. Januar 2009, auf die Kläger mit Schreiben vom 23. Januar 2009 reagierte, schränkte der Beklagte mit Bescheid vom 13. Februar 2009 in der Fassung eines Änderungsbescheids vom 12. März 2009 die Leistungen ab März 2009 gemäß § 1a AsylbLG ein, indem er den Barbetrag herabgesetzte, und bewilligte dem Kläger Leistungen nur noch iHv 420,32 EUR. Der dagegen erhobene Widerspruch des Klägers sowie ein sich anschließendes Klageverfahren, das den Zeitraum März 2009 bis Juni 2009 umfasste, waren erfolglos (vgl SG Stade, Gerichtsbescheid vom 19.02.2013 - S 33 AY 42/09 -).
Nach Veröffentlichung der Entscheidung des BVerfG vom 12. Juli 2012 über die Verfassungswidrigkeit der bis dahin gewährten Leistungen gemäß § 3 AsylbLG der Höhe nach erließ der Beklagte den hier streitgegenständlichen Bescheid vom 16. August 2012, mit dem er die Leistungen vorläufig an die Rechtsprechung des BVerfG anpasste. Der Bescheid sollte "ab August 2012" gelten. Die Einschränkung gemäß § 1a AsylbLG wurde beibehalten. Bewilligt wurden für August 2012 und September 2012 jeweils Leistungen iHv 484,31 EUR. Mit Bescheid vom 24. September 2012 regelte der Bek...