Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltsvergütung: Tätigkeit im sozialgerichtlichen Verfahren. Ermittlung der Höhe einer Verfahrensgebühr. Zuerkennung einer Terminsgebühr bei einseitigen Besprechungen mit dem Gericht
Orientierungssatz
1. War ein Rechtsanwalt für eine Partei bereits im sozialverwaltungsrechtlichen Widerspruchsverfahren tätig, kommt für die Vergütung im nachgelagerten Sozialgerichtsverfahren eine Verfahrensgebühr lediglich nach dem verminderten Rahmen der Nr. 3103 VV RVG in Betracht. Die Anrechnungsvorschrift in § 15a RVG kommt hierbei nicht zur Anwendung.
2. Eine lediglich einseitige Besprechung eines Prozessbevollmächtigten mit dem Gericht, an welcher der Prozessgegner nicht beteiligt ist, löst keine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG aus.
Tenor
Die Erinnerung gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Stade vom 4. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.
Gründe
Streitig ist die Höhe der aus der Landeskasse als Prozesskostenhilfe zu erstattenden Rechtsanwaltsgebühren. Der Erinnerungsführer macht die Festsetzung einer (höheren) Verfahrensgebühr nach Nr 3102 VV RVG (anstelle von Nr 3103 VV RVG) sowie die Festsetzung einer Terminsgebühr nach Nr 3106 VV RVG geltend.
Die zulässige Erinnerung ist unbegründet.
Zu Recht hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle eine Verfahrensgebühr nach Nr 3103 VV RVG in Höhe von 170,00 EUR festgesetzt. Entgegen der Rechtsauffassung des Erinnerungsführers kann nicht eine Verfahrensgebühr nach Nr 3102 VV RVG geltend gemacht werden, denn der Erinnerungsführer war unstreitig in derselben Sache bereits im Widerspruchsverfahren für den Kläger tätig geworden. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist jedoch nach Nr 3103 VV RVG dann, wenn eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren oder im weiteren, der nach Prüfung des Verwaltungsaktes dienenden Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, der Gebührenrahmen nach diesem Gebührentatbestand von 20,00 bis 320,00 EUR eröffnet. Dagegen kann nicht eine Verfahrensgebühr nach Nr 3102 VV RVG bei eröffnetem Gebührenrahmen von 40,00 bis 460,00 EUR geltend gemacht werden.
Entgegen der Rechtsaufassung des Erinnerungsführers kann dieser sich auch nicht auf § 15 a RVG berufen. Nach dieser am 5. August 2009 neu eingeführten Regelung kann der Rechtsanwalt beide Gebühren fordern, wenn das RVG die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vorsieht, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren.
Entgegen der Rechtsauffassung des Erinnerungsführers ist § 15 a RVG hier nicht einschlägig. Mit Nr 3103 VV RVG sieht das Gesetz keineswegs die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vor. Vielmehr sieht Nr 3103 VV RVG vor, dass der zugrundezulegende Gebührenrahmen dann, wenn bereits eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren bzw Widerspruchsverfahren vorausgegangen ist, herabgesetzt wird. Insoweit soll berücksichtigt werden, dass die Tätigkeit im Verwaltungsverfahren bzw Widerspruchsverfahren die Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren durchaus erleichtert. Insoweit soll der durch die vorangegangene Tätigkeit ersparte Aufwand ausschließlich durch die Anwendung des geringeren Rahmens und nicht mehr bei der Bemessung der konkreten Gebühr berücksichtigt werden. Die Herabsetzung des Gebührenrahmens stellt dagegen nicht die Anrechnung etwa von Gebühren aus dem Widerspruchsverfahren dar.
Anhaltspunkte dafür, das im vorliegenden Verfahren eine höhere Verfahrensgebühr als die Mittelgebühr gerechtfertigt seien könnte, sind nicht ersichtlich. Auch der Erinnerungsführer hat - ausgehend von Nr 3102 VV RVG - eine Verfahrensgebühr in Höhe von 250,00 EUR und damit in Höhe der Mittelgebühr geltend gemacht. Der Erinnerungsführer kann sich darüber hinaus auch nicht darauf berufen, dass er den sogenannten Toleranzrahmen von 20 % nicht überschritten habe. Mit 250,00 EUR hat er den sogenannten Toleranzrahmen, der im Übrigen nach ständiger Rechtsprechung der Kammer keineswegs generell und ohne Ermessensausübung durch den Rechtsanwalt ausgeschöpft werden kann, nicht nur um 20 %, sondern um 47 % überschritten.
Ebenfalls zutreffend hat die Urkundsbeamtin die Festsetzung einer Terminsgebühr nach Nr 3106 VV RVG abgelehnt.
Unstreitig ist, dass die Voraussetzungen der Nr 3106 Ziffern 1, 2 und 3 VV RVG nicht erfüllt sind, da vorliegend weder eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat noch ohne mündliche Verhandlung bzw durch Gerichtsbescheid entschieden wurde noch das Verfahren nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung geendet ist.
Entgegen der Rechtsauffassung des Erinnerungsführers kommt vorliegend jedoch auch eine Terminsgebühr nach der Vorbem 3 Abs 3 nicht in Betracht. Danach entsteht die Terminsgebühr für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin oder die Wahrnehmung eines von einem Gericht bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts; die...