Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. Schenkung. Rückforderungsanspruch wegen Verarmung des Schenkers
Leitsatz (amtlich)
1. Der sogenannte Anspruch des verarmten Schenkers auf Rückgewährung des Geschenks nach § 528 BGB stellt grundsicherungsrechtlich verwertbares Vermögen dar (Fortführung der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zum BSHG, vgl ua BVerwG vom 25.6.1992 - 5 C 37/88 = BVerwGE 90, 245 = FEVS 43,104).
2. Der Rückforderungsanspruch des Schenkers gegen den Beschenkten wegen Verarmung nach § 528 Abs 1 BGB kann ein bereites Mittel der Selbsthilfe (§ 2 Abs 1 S 1, § 3 Abs 3 S 1 SGB 2) sein, das einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende des Schenkers ausschließt und auf das zur Deckung des laufenden Bedarfs verwiesen werden kann.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Die 1972 geborene Klägerin ist seit 1993 mit dem Zeugen E. verheiratet. Aus der Ehe gingen vier Kinder im Alter von zur Zeit elf, acht, fünf und drei Jahren hervor. Die Familie wohnte bis 2006 in dem Eigenheim Alte F. 12 in G.. Das Grundstück erwarben die Eheleute etwa 1992/1993. Im Sommer 2006 trennten sich die Klägerin und ihr Ehemann. Im August 2006 beantragte die Klägerin für sich und ihre vier Kinder für die Zeit ab 1. November 2006 Leistungen nach dem SGB II. Laut Anmeldebestätigung der Samtgemeinde H. zog die Klägerin mit den vier Kindern zum 24. September 2006 zu ihren Eltern nach H.. Zum 1. November 2006 zogen sie und die Kinder in das Haus Am I. 11 in G.. Seit 1. November 2006 übt sie eine Aushilfstätigkeit aus und erhält monatlich pauschal 150,-- €. Zudem erhält sie 641,-- € Kindergeld und 594,-- € aufgrund des Unterhaltsvorschussgesetzes (UVG).
Am 31. August 2006 trafen die Klägerin und ihre Mutter, die Zeugin J., bei dem Notar K. in L. eine notariell beurkundete Vereinbarung. Darin wurde ua festgelegt, dass die Klägerin ihren Anspruch gegen den Ehemann auf Zahlung von insgesamt 50.000,-- €, dem die gleichzeitige Übertragung ihres Miteigentumsanteils an dem gemeinsamen Grundstück und Haus an ihren Ehemann zugrunde liegt, mit Wirkung vom 31. Januar 2007 an ihre Mutter abtritt. Zugleich wurde in dieser Vereinbarung festgehalten, dass der Grund für die Abtretung die in der Vergangenheit erfolgte Erbringung von Darlehen über zumindest 50.000,-- € durch die Mutter der Klägerin an die Klägerin sei. Zudem wurde übereinstimmend dargelegt, dass die Zahlung von insgesamt 50.000,-- € als Anzahlung auf diese Darlehen anzusehen sei. Am 10. Oktober 2006 trafen die Klägerin und ihr Ehemann ebenfalls bei dem Notar K. in L. eine notariell beurkundete Vereinbarung dahingehend, dass die Klägerin ihren ideellen Miteigentumsanteil an dem gemeinsamen Grundstück zum alleinigen Eigentum auf ihren Ehemann überträgt und dass dieser der Klägerin als Gegenleistung einen Betrag iHv 50.000,-- € zu zahlen hat. Die Zahlung dieses Betrages ist danach fällig iHv 30.000,-- € zum 10. Dezember 2006, die restlichen 20.000,-- € zum 30. Juni 2013. Darüber hinaus wurde ua festgelegt, dass zugunsten der Mutter der Klägerin eine Grundschuld in einem Wert von 20.000,-- € einzutragen ist.
Mit Bescheid vom 8. November 2006 gewährte die Beklagte der Klägerin für den Monat November 2006 Leistungen nach dem SGB II iHv 706,11 € als Darlehen.
Im Übrigen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. November 2006 den Antrag der Klägerin ab mit der Begründung, Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 SGB II liege nicht vor. Das zu berücksichtigende Vermögen von insgesamt 31.682,-- € übersteige die Grundfreibeträge von 4.350,-- €. Die Klägerin habe den Anspruch, den sie gegen ihren Ehemann habe, an die Mutter abgetreten. Für die Zahlung an die Mutter sei jedoch ein rechtlicher Grund nicht erkennbar. Es handelte sich somit um eine Schenkung. Da durch diese Schenkung die Hilfebedürftigkeit herbeigeführt werde, sei der Tatbestand des § 528 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erfüllt. Die Klägerin habe somit in Höhe der Zahlung einen zivilrechtlichen Übertragungsanspruch gegen ihre Mutter, welcher zum Vermögen zu zählen sei.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 17. November 2006 Widerspruch ein und führte aus, sie sei nicht in der Lage, die Miete für die Wohnung aufzubringen. Die Behauptung, dass sie einen Anspruch gegen ihre Eltern habe, sei falsch. Sie habe seinerzeit ein Darlehen von den Eltern iHv von 30.000,-- € erhalten. Durch die notarielle Urkunde vom 10. Oktober 2006 sei nachgewiesen, dass der Betrag iHv 30.000,-- € ausschließlich ihren Eltern zustehe.
Im Verlaufe des Widerspruchsverfahrens schrieb die Beklagte im Rahmen weiterer Ermittlungen den Ehemann der Klägerin mit der Bitte um Auskunftserteilung an. Nach dem Telefonvermerk in der Verwaltungsakte vom 22. Januar 2007 erklärte der Ehemann der Klägerin und Zeuge E. in...