Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Entstehen der Erledigungsgebühr. Erfordernis einer qualifizierten anwaltlichen Mitwirkung. Nichtausreichen von Beweisermittlungsanregungen oder Beweisanträgen. Kostenentscheidung im Erinnerungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Der Ansatz der Erledigungsgebühr erfordert ein qualifiziertes, ursächliches Mitwirken des Rechtsanwalts an der (unstreitigen) Erledigung des Rechtsstreits.
2. Die Anregung, bestimmte Beweisunterlagen beizuziehen, beinhaltet ebenso wenig wie das Stellen von Beweisanträgen ein besonderes Bemühen des Rechtsanwalts.
3. Kostengrundentscheidungserfordernis im Erinnerungsverfahren (hier offengelassen).
Tenor
Die Erinnerung des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Stuttgart vom 18.01.2010 (S 24 SB 6562/08) wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der zugunsten des Klägers erstattungsfähigen Kosten für das erledigte Klageverfahren.
Mit seiner am 30.09.2008 erhobenen Klage im Verfahren S 24 SB 6562/08 begehrte der Kläger vom Beklagten nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50. Er reichte zur Stützung seiner Klage zunächst medizinische Unterlagen zur Gerichtsakte. Nach Beiziehung weiterer medizinischer Befundberichte seitens des Gerichts bat die Klägerseite mit Anwaltsschriftsatz vom 03.08.2009, bei Pneumologe Dr. B. einen Arztbericht anzufordern. Im Übrigen verwies der Kläger auf die Einschätzung seines Hausarztes Dr. H., wonach für seine Lungen- bzw. Herzerkrankung ein GdB von “mindestens 60 bis 70„ gerechtfertigt sei. Diese Einschätzung werde sich durch den einzuholenden Arztbericht des Dr. B. bestätigen. Das Gericht vernahm Pneumologen Dr. B. sodann schriftlich als sachverständigen Zeugen. Dieser teilte mit (Auskunft vom 07.08.2009), dass der Kläger an einer bekannten koronaren Herzerkrankung mit Stent-Implantation bei ausreichend kardialer Insuffizienz sowie an einer chronischen Atemwegserkrankung mit erheblichen Obstruktionen leide. Die Einschätzung des versorgungsärztlichen Dienstes sei “wie immer nicht verwertbar„. Er könne deswegen zur Höhe des GdB keine Aussage machen. Auch die “kardiale Seite„ könne er nicht beurteilen.
Mit Schriftsatz vom 13.11.2009 erkannte der Beklagte nach Würdigung sämtlicher aktenkundiger medizinischer Befunde an, dass beim Kläger ab dem 03.03.2008 ein GdB von 50 und ab Januar 2009 ein GdB von 60 besteht und verpflichtete sich, bei Erledigung des Rechtsstreits die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten. Mit Anwaltsschriftsatz vom 04.12.2009 nahm der Kläger das Anerkenntnis des Beklagten zur Erledigung des Rechtsstreits an.
Mit Kostenverfügung vom 08.01.2010 wies das Regierungspräsidium S. das Landratsamt B. an, dem Kläger zwecks Kostenerstattung einen Betrag von insgesamt 773,50 Euro auszuzahlen. Es legte dabei folgende Positionen zugrunde:
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Kosten des Vorverfahrens: |
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Geschäftsgebühr |
240,00 € |
Auslagenpauschale |
20,00 € |
Umsatzsteuer daraus |
49,40 € |
Zwischensumme Vorverfahren |
309,40 € |
Kosten des Klageverfahrens: |
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Verfahrensgebühr |
170,00 € |
Terminsgebühr |
200,00 € |
Auslagenpauschale |
20,00 € |
Umsatzsteuer daraus |
74,10 € |
Zwischensumme Klageverfahren |
464,10 € |
zu zahlender Betrag |
773,50 € |
Mit Antrag vom 14.01.2010 - bei Gericht unter dem 15.01.2011 eingegangen - machte die Prozessbevollmächtigte des Klägers folgende Kosten geltend:
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für das Widerspruchsverfahren: |
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Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten, § 3 RVG, Nr. 2400 VV RVG |
240,00 € |
Pauschale für Post und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 € |
für das Klageverfahren: |
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Verfahrensgebühr, Nr. 3103 VV RVG |
170,00 € |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG |
200,00 € |
Erledigungsgebühr, Nr. 1006 VV RVG |
190,00 € |
Pauschale für Post und Telekommunikation, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 € |
Zwischensumme netto |
840,00 € |
19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG |
159,60 € |
Summe |
999,60 € |
abzgl. vom Beklagten anerkannter Kosten |
773,50 € |
verbleibend |
226,10 € |
Zugleich beantragte sie, den festzusetzenden Betrag ab Antragstellung mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Der Beklagte habe es versäumt, die Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG zuzuerkennen. Diese sei vorliegend angefallen, weil sie aktuelle ärztliche Unterlagen übermittelt und beantragt habe, einen Arztbrief bei Pneumologe Dr. B. anzufordern. Dieser Arztbrief habe letztlich zum Anerkenntnis geführt.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18.01.2010 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des hiesigen Gerichts die Kosten wie folgt festgesetzt,
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Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV RVG |
240,00 € |
Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG |
20,00 € |
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Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG |
170,00 € |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG |
200,00 € |
Pauschale für Post und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG |
20,00 € |
Umsatzsteuer Nr. 7008 RVG |
123,50 € |
insgesamt |
773,50 € |
und die Verzinsung mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 15.01.2010 angeordnet. Die geltend gemachte Ein...