Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Zuschuss zur privaten Krankenversicherung. Mindestbetrag nach VAG. ermäßigter Basistarif. Bedarfsunterdeckung. Verfassungswidrigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Die in § 26 Abs 2 Nr 1 SGB 2, § 12 Abs 1c S 5 und 6 VAG geregelte Höhe des Zuschusses zur privaten Krankenversicherung führt zu einer existenzgefährdenden Bedarfsunterdeckung, da der Mindestbetrag nach § 12 Abs 1c S 6 Halbs 2 VAG eines Leistungsbeziehers zur gesetzlichen Krankenversicherung unter dem ermäßigten Basistarif für Hilfebedürftige liegt. Diese Bedarfsunterdeckung begegnet im Hinblick auf den Anspruch auf Gewährleistung des Existenzminimums aus Art 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip aus Art 20 GG verfassungsrechtlichen Bedenken.

 

Tenor

1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig einen monatlichen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 252,86 Euro unter Anrechnung bereits gewährter Leistungen sowie den jährlichen Selbstbehalt von 300 Euro vom 24.07.2009 bis zum 31.12.2009 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

3. Die Antragsgegnerin trägt 4/5 der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens um die Übernahme der Kosten für die private Kranken- und Pflegeversicherung des Antragstellers in voller Höhe.

Der 1967 geborene Kläger war als selbstständiger Fahrzeugaufbereiter bei der A. K. AG privat kranken- und pflegeversichert. Am 17.06.2009 beantragte er die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II.

Im Rahmen der Einreichung des Antrages wurde vom Antragsteller ein Versicherungsschein über die private Kranken- und Pflegeversicherung bei der A. K. AG mit Kosten für die Krankenversicherung in Höhe von 208,21 zusätzlich eines Beitragszuschlags in Höhe von 20,82 € einer Reise-Plus-Versicherung in Höhe von 0,80 € sowie einer Pflegepflichtversicherung in Höhe von 23,83 und somit mit einer Monatsrate für die Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 253,66 €. Mit Bescheid vom 18.06.2009 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen für den Zeitraum vom 02.06.2009 bis zum 30.06.2009 in Höhe von 934,48 € und für den Zeitraum vom 01.07.2009 bis zum 31.12.2009 in Höhe von 969,49 €. In den Leistungen enthalten ist ein Zuschuss nach § 26 SGB II zur Krankenversicherung in Höhe von 125,22 € und zur Pflegeversicherung in Höhe von 17,20 € für den Monat Juni 2009 und in Höhe von 124,32 € für die Krankenversicherung und 17,79 € für die Pflegeversicherung für den Zeitraum von Juni bis Dezember 2009. In den erläuternden Hinweisen wird ausgeführt, dass der Restbetrag bis zur Versicherungsrate von 253,66 € vom Antragsteller selber zu tragen sei.

Aus einem Schreiben der A. K. AG vom 14.07.2009 geht hervor, dass der Versicherungsschutz gefährdet sei, da ein Betragsrückstand in Höhe von 644,64 bestehe. Sollte der Beitragsrückstand zwei Wochen nach Zugang der heutigen Mahnung noch höher als der Prämienanteil von einem Monat sein, werde das Ruhen der Versicherungsleistung festgestellt. Der Beitragsrückstand sei wegen fehlerhafter Beitragszahlung für die Monate bis April 2009 sowie Mai, Juni und Juli 2009 entstanden.

Auf Bl. 22 d. Verw.-Akte findet sich ein Antrag der Antragsgegnerin beim Sozialamt der Stadt S. vom 21.07.2009, in dem ein Antrag auf Übernahme des Eigenanteils bei der Kranken- und Pflegeversicherung gestellt werde. Im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben könne ein Teil der Beiträge durch das JobCenter nicht übernommen werden, so dass die Differenz durch das Sozialamt zu tragen sei. Beim Antragsteller erfolge durch die Übernahme des Eigenanteils (Beitragsanteil für Medikamentenanteil) durch den Antragsteller selbst eine Unterschreitung des gesetzlichen Existenzminimums.

Der Antragsteller hat bei einer persönlichen Vorsprache am 17.07.2009 Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid vom 18.06.2009 eingelegt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass er mit der Deckelung der Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht einverstanden sei und die fehlende Übernahme des Eigenanteiles zur Unterschreitung des gesetzlichen Existenzminimums führe.

Der Antragsteller hat am 24.07.2009 einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Stuttgart erhoben.

Der Antragsteller führt zur Begründung seines Antrages an, dass er als Selbstständiger privat kranken- und pflegeversichert sei. Seine Firma sei seit September 2008 ruhend und über sein Vermögen sei wegen Zahlungsunfähigkeit durch Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 02.07.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Laut einem Schreiben der AOK vom 06.07.2009 sei ihm die Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung verwehrt. Er sei daher der Ansicht, dass die Antragsgegnerin die Beiträge zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung in voller Höhe übernehmen müsse. Wenn er den Differenzbetrag selbst leisten müsse, verblieben ihm...

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