Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Keine fiktive Terminsgebühr bei Teilanerkenntnis bzw Teilerledigungserklärung und Teilrücknahme. Erledigungsgebühr gemäß Nr 1002, 1003 RVG-VV
Leitsatz (amtlich)
Wird eine Klage teilweise für erledigt erklärt und im Übrigen zurückgenommen, entsteht keine fiktive Terminsgebühr gem Nr 3104 Abs 1 RVG-VV. Dies gilt auch bei Annahme eines Teilanerkenntnisses und Rücknahme der Klage im Übrigen.
Orientierungssatz
Bei Teilanerkenntnis bzw Teilerledigungserklärung und Teilrücknahme ist grundsätzlich die Festsetzung einer Erledigungsgebühr gemäß Nr 1002, 1003 RVG-VV möglich.
Tenor
Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23.9.2014 wird abgeändert. Die durch die Beklagte zu erstattenden außergerichtlichen Kosten werden auf 1.845,25 € festgesetzt.
Gründe
Bzgl. der Beteiligten war ein Rechtsstreit bezüglich der Honorarabrechnungen für die Quartale 3/2009 und 4/2009 anhängig. Mit Klage vom 2.3.2011 wandte sich der Klägerbevollmächtigte im Namen des Klägers gegen die in diesen Honorarbescheiden vorgenommenen Konvergenzabzüge sowie gegen eine Quotierung aufgrund der Überschreitung des RLV.
Mit Beschluss vom 27.12.2011 ordnete das Gericht das Ruhen des Verfahrens an, welches vom Klägerbevollmächtigten am 20.8.2013 wieder aufgerufen wurde. Mit Bescheid vom 9.12.2013 erstattete die Beklagte dem Kläger die im Rahmen der Konvergenz einbehaltenen Honorarabzüge in voller Höhe zurück. Die Beklagte erklärte den Rechtsstreit für erledigt. Der Klägerbevollmächtigte wertete den Bescheid vom 9.12.2013 als prozessuales Teil-Anerkenntnis und nahm dieses an. Im Übrigen nahm er die Klage zurück. Die Beklagte wehrte sich gegen die Annahme eines Anerkenntnisses. Mit Schreiben vom 20.6.2014 erklärte der Klägerbevollmächtigte, dass der Rechtsstreit erledigt ist.
Mit rechtskräftigem Beschluss vom 9.7.2014 traf das Gericht eine Kostengrundentscheidung, nach der die Beklagte 84 %, der Kläger 16 % der Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Der Streitwert wurde auf 22.453,16 € festgesetzt.
Am 14.7.2014 beantragte der Klägerbevollmächtigte die Kostenfestsetzung mit Übersendung einer Kostennote. Darin machte er für das gerichtliche Verfahren neben einer 1,3fachen Verfahrensgebühr auch eine 1,2fache Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV RVG aus einem Streitwert i.H.v. 18.771,47 € (Höhe des Konvergenzabzuges) geltend.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23.9.2014 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die von der Beklagten an den Kläger zu erstattenden außergerichtlichen Kosten gem. § 197 Abs. 1 SGG auf 2.572,16 € fest (84% von insgesamt 3.062,10 € Gebühren und Auslagen inkl. Umsatzsteuer). Dabei übernahm sie den Gebührenansatz des Klägerbevollmächtigten ohne Änderung. Sie führte aus, dass zwar kein Termin stattgefunden habe, jedoch eine fiktive Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV RVG festgesetzt werden könne. Zwar sei der Rechtsstreit in der Gesamtschau nicht durch ein volles Anerkenntnis, aber durch einen schriftlichen Vergleich beendet worden. Beide Beteiligte hätten im Ergebnis nachgegeben. Auf die Einhaltung von prozessualen Formvorschriften komme es nicht an. Vielmehr sei auf den zwischen den Beteiligten getroffenen Regelungsinhalt abzustellen. Dies entspreche auch der Intention des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der fiktiven Terminsgebühr, die streitvermeidende oder -beendende Tätigkeit des Rechtsanwalts zu fördern und damit gerichtsentlastend zu wirken.
Gegen die Festsetzung der fiktiven Terminsgebühr i.H.v. 727,20 € legte die Beklagte mit Schreiben vom 10.10.2014 Erinnerung gem. § 197 Abs. 2 SGG ein. Sie ist der Ansicht, dass weder ein prozessuales Anerkenntnis abgegeben worden sei, noch ein schriftlicher Vergleich vorliege.
II.
Die Erinnerung ist zulässig und begründet. Der Kostenfestsetzungsbeschluss ist rechtswidrig, soweit eine fiktive Terminsgebühr festgesetzt worden ist.
Die Voraussetzungen von Nr. 3104 Abs. 1 VV RVG liegen nicht vor. Danach entsteht die Terminsgebühr auch, wenn
1. in einem Verfahren, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, im Einverständnis mit den Parteien oder Beteiligten oder gemäß § 307 oder § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung entschieden oder in einem solchen Verfahren ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird,
2. nach § 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO oder § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG durch Gerichtsbescheid entschieden wird und eine mündliche Verhandlung beantragt werden kann oder
3. das Verfahren vor dem Sozialgericht, für das mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung endet.
Ziffer 2 von Nr. 3104 Abs. 1 VV RVG ist unstreitig nicht einschlägig.
Wie die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle bereits zutreffend im Beschluss ausgeführt hat, endete das Klageverfahren nicht nach angenommenem Anerkenntnis ohne mündliche Verhandlung, da hierfür gem. § 101 Abs. 2 SGG die Annahme eines vollen Anerkenntnisses notwendig gewesen wäre. Dabei kann dahinstehen, ob im vorliegenden Fall überhaupt ein Teilanerkenntnis be...