Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Zuzahlung. Ermittlung der Belastungsgrenze für Asylbewerber

 

Orientierungssatz

Ein Empfänger von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG fällt nicht unter die Mindestbelastungsgrenze des § 62 Abs 2 S 5 SGB 5. Er ist daher bei einem negativen Einkommen vom Eigenanteil an den Zuzahlungen zu Arzneimitteln zu befreien.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 22.04.2008; Aktenzeichen B 1 KR 5/07 R)

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der Belastungsgrenze nach § 62 SGB V.

Der bei der Beklagten versicherte Kläger erhält für sich und seine Familie (Ehefrau, 3 Kinder) Leistungen nach § 3 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz und ist wegen einer Erwerbstätigkeit bei der Beklagten pflichtversichert. Sein monatliches Arbeitsentgelt betrug 2004 665,- €, die Leistungen nach dem AsylbLG hatten für ihn und seine Familie eine Höhe von 448,25 € monatlich.

Mit Bescheid vom 11.02.2004 teilte ihm die Beklagte mit, sein gesetzlich vorgeschriebener Eigenanteil an Zuzahlungen für Arzneimittel usw. betrage 71,36 €.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und trug vor, als Flüchtling sei er nicht leistungsberechtigt nach dem Sozialhilfegesetz, erhalte insbesondere auch keine Hilfe zum Lebensunterhalt, sondern sei nur aus dem Asylbewerberleistungsgesetz leistungsberechtigt. Diese Geldleistung sei niedriger als die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG. Im § 62 SGB V fänden sich keine Festsetzungen in Bezug auf einen Personenkreis, dem er angehöre. Im Übrigen errechne sich wenn überhaupt nur eine Belastungsgrenze von 71,28 €.

Mit Bescheid vom 10.03.2004 hob die Beklagte den Bescheid vom 11.02.2004 auf und legte die Belastungsgrenze auf 71,28 € fest.

Auch hiergegen legte der Kläger erneut Widerspruch ein mit der bereits zuvor abgegebenen Begründung. Es sei zudem in jeder Beziehung unvertretbar, von einem höheren als dem von ihm tatsächlich erzielten Bruttoeinkommen auszugehen. Die von der Beklagten eingenommene Linie werde den Besonderheiten seines Einzelfalles in keiner Weise gerecht.

Nachdem der Kläger Unterlagen zu seinem Einkommen vorgelegt hatte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.05.2004 den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, seit dem 01.01.2004 regele § 62 SGB V, dass alle Versicherten während jedes Kalenderjahres Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze zu leisten hätten. Diese betrügen 2 % der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt. Die genaue Berechnung der Belastungsgrenzen ergebe sich aus § 62 Abs. 2 SGB V. Nach dem gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen zählten sowohl Arbeitsentgelt als auch Grundleistungen nach dem AsylbLG zu den Einnahmen. Hiernach verfüge der Kläger zwar nach Abzug der Abschläge für seine Ehefrau und die Kinder nur über ein negatives Einkommen (zur genauen Berechnung vgl. Bl. 16 der V- Akte). Jedoch liege der Neuausrichtung der Härtefallregelungen mit Streichung der Möglichkeit der vollständigen Befreiung der politische Wille zu Grunde, dass alle volljährigen Versicherten Zuzahlungen bis zur individuellen Belastungsgrenze zu leisten hätten. Dies gelte auch für Versicherte, die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz erhielten. Diese Berechnungsgröße komme auch in den Fällen zur Anwendung, in denen auf Grund der Familienabschläge der maßgebende Betrag der Einnahmen zum Lebensunterhalt unterhalb des Regelsatzes liege bzw. in denen sich rein rechnerisch ein sogenanntes Negativeinkommen ergebe.

Hiergegen richtet sich die am 10.06.2004 bei Gericht eingegangene Klage mit der bereits zuvor abgegebenen Begründung.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 10.03.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.05.2004 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger 2004 von Zuzahlungen befreit ist.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte sowie der Akte des Gerichts Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet, da der Kläger keine Zuzahlungen zu leisten hat.

Gemäß § 62 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch - (SGB V) in der im Jahr 2004 geltenden Fassung haben Versicherte während jedes Kalenderjahres nur Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze zu leisten; wird die Belastungsgrenze bereits innerhalb eines Kalenderjahres erreicht, hat die Krankenkasse eine Bescheinigung darüber zu erteilen, dass für den Rest des Kalenderjahres keine Zuzahlungen mehr zu leisten sind. Die Belastungsgrenze beträgt 2 v. H. der jährigen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt; für chronisch Kranke, die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind, beträgt sie 1 v. H. der jährigen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt. Bei der Ermittlung der Belastungsgrenze nach Abs. 1 werden gemäß § 62 Abs. 2 SGB V die Zuzahlungen und die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt der mit dem Versicher...

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