Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt. Übermittlung der Quartalsabrechnung an Kassenärztliche Vereinigung mittels Diskette. unvollständige Leistungsübermittlung wegen EDV-Panne. Vergütungsausschluss bei nachträglicher Einreichung dieser Leistungen unverhältnismäßig
Leitsatz (amtlich)
Werden bei der mittels Diskette erfolgten Quartalsabrechnung eines Vertragsarztes zwar alle Behandlungsausweise, infolge einer EDV-Panne aber nicht alle Leistungen an die Kassenärztliche Vereinigung rechtzeitig übermittelt, ist ein vollständiger Vergütungsausschluss bei nachträglicher Einreichung dieser Leistungen unverhältnismäßig (Fortführung von BSG vom 22.6.2005 - B 6 KA 19/04 R = SozR 4-2500 § 85 Nr 19).
Nachgehend
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Gesamthonorarabrechnungsbescheides vom 16.07.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.08.2001 verpflichtet, erneut über das der Klägerin für das Quartal 1/01 zu gewährende Gesamthonorar unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosen der Klägerin zu erstatten.
Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
3. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Im Streit ist die Rechtmäßigkeit der Gesamthonorarabrechnung der Klägerin für das Quartal 1/01, hierbei insbesondere die Nichtvergütung erbrachter Leistungen, die nicht zur Abrechnung gelangt sind.
Im streitigen Quartal war die Klägerin als niedergelassen und nahm an der vertragsärztlichen Versorgung teil.
Mit Gesamthonorarabrechnungsbescheid vom 16.07.2001 setzte die Kassenärztliche Vereinigung Nord-Württemberg (KV NW), Rechtsvorgängerin der Beklagten, das der Klägerin für das Quartal 1/01 zu gewährende Gesamthonorar auf DM 31.132,83 fest. Hierbei wurde eine Überzahlung von DM 50.648,04 festgestellt.
Gegen diesen Gesamthonorarabrechnungsbescheid legte die Klägerin am 23.07.2001 Widerspruch mit der Begründung ein, wahrscheinlich aufgrund eines EDV-technischen Fehlers sei zwar die richtige Zahl von Behandlungsfällen, jedoch nicht die richtige Menge der erbrachten Leistungen übermittelt worden. Seit Januar 1998 führe sie ihre KV-Abrechnung mit Hilfe von EDV (“Quincy Win„, Firma Frey, Berlin) durch. Alle Leistungsdaten würden von ihr persönlich eingegeben, ebenfalls werde die Quartalsabrechnung von ihr kontrolliert, auf Diskette gespeichert und bei der KV abgegeben. Bisher habe sie keine Probleme, weder mit der EDV-Firma noch mit der Abrechnungsabteilung der KV NW gehabt. Da die Anzahl der von ihr behandelten Patienten seit mehr als einem Jahr konstant bei ca. 220 pro Quartal und auch die erbrachten Leistungen immer ungefähr die gleichen seien, sei ihr nach Erhalt der Gesamthonorarabrechnung sofort klar gewesen, dass etwas nicht stimme. Sie bitte um nachträgliche Berichtigung ihrer Gesamthonorarabrechnung auf der Grundlage der von ihr erstellten neuen Diskette für das streitige Quartal.
Der Vorstand der KV NW beschloss in seiner Sitzung am 22.08.2001, dem Widerspruch nicht stattzugeben (Widerspruchsbescheid vom 27.08.2001).
Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, dem Wunsch auf nachträgliche Korrektur könne nicht nachgekommen werden, da die Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 3 ihres Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) dem entgegen stehe. Ausnahmen von dieser Regelung sehe der HVM nicht vor. Auch könne ein “Softwarefehler„ nicht dazu führen, von dieser Regelung abzuweichen. Dies hätte zur Folge, dass ein geordneter Abrechnungsverkehr eventuell nicht mehr zu gewährleisten wäre.
Gegen diesen Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin am 07.09.2001 schriftlich Klage beim Sozialgericht (SG) Stuttgart.
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die Bestimmung des § 5 Abs. 2 Satz 3 des HVM der KV NW, auf den diese ihre Entscheidung gestützt habe, habe keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage und verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) sowie ihre Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG.
Die Bestimmung des § 5 Abs. 2 Satz 3 HVM sei nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 85 Abs. 4 Sätze 1 und 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) gedeckt. Entgegen den dortigen Vorgaben handele es sich bei § 5 Abs. 2 Satz 3 HVM nicht um eine Honorarverteilungsregelung, sondern um eine Honorarausschlussregelung. Eine solche sei in § 85 Abs. 4 SGB V nicht vorgesehen.
Eine hinreichende Rechtsgrundlage könne auch nicht in § 34 Abs. 3 des Ersatzkassenvertrages Ärzte (EKV-Ä) gesehen werden, da es sich bei § 5 Abs. 2 Satz 3 HVM nicht um eine “Ordnungsvorschrift„ handele.
§ 5 Abs. 2 Satz 3 HVM verstoße ferner in unzulässiger Weise gegen ihre Berufsausübungsfreiheit. Fraglich sei schon, ob die Honorarausschlussregelung durch hinreichende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt sei, da es sich um eine Regelung handele, die lediglich der Verwaltungsvereinfachung der Beklagten diene. Letztlich könne dies dahinstehen, da die Regelung jede...