Entscheidungsstichwort (Thema)
Örtliche Zuständigkeit. Vertrag auf Landesebene nach § 112 Abs 1 SGB 5
Leitsatz (amtlich)
Die Zuständigkeitsregelung in § 57a Abs. 3 SGG greift nicht allein dann ein, wenn ein Rechtsstreit sich ausschließlich auf den Bestand oder die Auslegung eines Landesvertrages bezieht.
Tenor
1.) Das Sozialgericht Ulm erklärt sich für örtlich unzuständig.
2.) Der Rechtsstreit wird an das Sozialgericht Stuttgart verwiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten sich um die Vergütung für die stationäre Behandlung vierer bei der Beklagten versicherter Patienten.
Die Klägerin, die der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft angehört, betreibt ein Krankenhaus. Dort wurden zwei Versicherte jeweils im Mai und Juli 2004 sowie zwei weitere Versicherte jeweils im Juli 2005 und 2006 aus unterschiedlichen Gründen stationär behandelt. Die hierfür geltend gemachten Vergütungen wurden von der Beklagten zunächst in voller Höhe bezahlt. Im weiteren Verlauf verrechnete die Beklagte sie jedoch teilweise mit anderen Forderungen der Klägerin, weil sie die Auffassung vertrat, dass in den genannten Fällen jeweils eine ambulante Behandlung ausreichend gewesen wäre.
Die Klägerin verlangte von der Beklagten zunächst die Rückzahlung der verrechneten Beträge.
Mit der am 11. Februar 2009 zum Sozialgericht Ulm erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Rückzahlung des durch Aufrechnung nachträglich einbehaltenen Teilbetrages in Höhe von insgesamt 3.444,09 EUR.
Mit Schreiben vom 7. September 2009 hat die Kammer die Beteiligten darauf hingewiesen, dass es sich auf der Grundlage von § 57a Abs. 3 SGG in der ab 1. April 2008 geltenden Fassung für örtlich unzuständig halte und eine Verweisung an das Sozialgericht Stuttgart beabsichtige. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 15. Oktober 2009. Die Beteiligten haben zu diesem Hinweis nicht Stellung genommen.
Auf den Inhalt des Hinweisschreibens vom 7. September 2009 (Bl. 20 der Gerichtsakte) wird verwiesen.
II.
Nach § 98 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 17a Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) hat das SG Ulm vorliegend seine örtliche Unzuständigkeit auszusprechen und den Rechtsstreit an das SG Stuttgart zu verweisen.
Die örtliche Zuständigkeit richtet sich vorliegend nach § 57a Abs. 3 SGG in der seit dem 1. April 2008 geltenden Fassung (vgl. Art. 5 SGGArbGGÄndG). Danach ist in Angelegenheiten, die Entscheidungen oder Verträge auf Landesebene betreffen, das Sozialgericht zuständig, in dessen Bezirk die Landesregierung ihren Sitz hat.
Da die Klage am 11. Februar 2009 erhoben wurde, ist diese Norm im vorliegenden Verfahren anwendbar.
Die Klage betrifft auch einen Vertrag auf Landesebene, nämlich den gemäß § 112 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch (SGB V) zwischen der baden-württembergischen Krankenhausgesellschaft (BWKG) und den Landesverbänden der Krankenkassen abgeschlossenen Vertrag über die Allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V vom 21. September 2005 (Datum der Entscheidung der Landesschiedsstelle). Die Beklagte ist Mitglied in der BWKG. Der Rechtsstreit betrifft den Landesvertrag, weil die §§ 108 ff. SGB V zwar eine grundsätzliche Vergütungspflicht der Krankenkassen auch für im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V erforderliche stationäre Krankenhausbehandlungen selbstverständlich voraussetzen, wenn ein gesetzlich Versicherter in einem zugelassenen Krankenhaus behandelt wird und die Anspruchsvoraussetzungen im übrigen vorliegen (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v . 5. Januar 2009 - L 1 B 73/08 KR - juris Rz. 14 mit Verweis auf BSG, Urt. v. 17. Mai 2000 - B 3 KR 33/99 R - SozR 3-2500 § 112 Nr. 1).
§ 57a Abs. 3 SGG ist dabei auch nicht so auszulegen, als beschränke er sich auf Angelegenheiten des Vertragsarztrechts oder auf Fragen, die ausschließlich das Bestehen oder die Auslegung eines Vertrages auf Landesebene berührten.
Dies zeigt bereits der Wortlaut der Norm. Danach muss die Angelegenheit eine Entscheidung oder einen Vertrag “betreffen„. Dieser Begriff mag so verstanden werden, dass sich der Gegenstand eines Rechtsstreits in einer reinen Rechtsfragen erschöpft, also allein die Auslegung einer bestimmten Vertragsklausel im Streit steht oder die Frage im Raum steht, ob der Vertrag überhaupt wirksam abgeschlossen wurde (hierfür etwa Schreiber in SGb 2009, S. 525 (526), der unter Verweis auf LSG Sachsen, Beschl. v. 13. Oktober 2008 - L 1 B 614/08 KR-ER und SG Dresden, Beschl. v. 5. Juni 2009 - S 18 KR 167/09 ein “qualifiziertes Betroffensein„ in dem Sinne fordert, dass der Streitgegenstand des jeweiligen Verfahrens sich allein auf Rechtsfragen beschränkt). Zwingend ist das aber nicht, denn als “betroffen„ kann ein Vertrag allein dem Wortsinn nach auch schon dann verstanden werden, wenn sich daraus die Anspruchsgrundlage für eine eingeklagte Vergütung ergeben soll. Hier könnte sich dann auch inzident etwa die Frage stellen, ob der Vertrag überhaupt wirksam...