Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewährung einer Regelaltersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Hinweispflichtverletzung des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 115 Abs 6 SGB 6 bei fehlendem Zugangsnachweis. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Kausalitätsprüfung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Träger der gesetzlichen Rentenversicherung kommt seiner Hinweispflicht nach § 115 Abs 6 SGB VI bezüglich einer möglichen Antragstellung betreffend einer Regelaltersrente nur dann vollständig nach, wenn er ein Hinweisschreiben absendet, das den Versicherten tatsächlich erreicht.
2. An der Kausalität zwischen einer solchen Hinweispflichtverletzung und einer verspäteten Rentenantragstellung kann es mangeln, wenn der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung den Versicherten anderweitig vollständig über die Modalitäten der Antragstellung durch Renteninformations- oder Rentenauskunftsschreiben aufgeklärt hat. Dies ist insbesondere bei einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen einem solchen Schreiben und dem Zeitpunkt des frühestmöglichen Rentenbeginns der Fall.
Tenor
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 14.02.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2023 verurteilt, dem Kläger eine Regelaltersrente ab dem 01.04.2022 zu bewilligen.
Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Regelaltersrente nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) bereits ab dem 01.04.2022.
Der am xx.05.1956 geborene Kläger erhielt am 25.04.2018 seitens der Beklagten eine Rentenauskunft, wonach die Regelaltersrente, die ab 01.04.2022 gezahlt werden könne, monatlich 600,84 € betrage, wenn der Berechnung ausschließlich die bisher gespeicherten rentenrechtlichen Zeiten sowie der derzeit maßgebende aktuelle Rentenwert zugrunde gelegt werden.Eine Rente werde nur gezahlt, wenn die Wartezeit, die persönlichen und die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt und ein Rentenantrag gestellt seien. Ein frühestmöglicher Rentenbeginn für Versichertenrenten könne nur erreicht werden, wenn der Antrag innerhalb von drei Kalendermonaten nach Erfüllung der Voraussetzungen gestellt werde. Bei späterer Antragstellung werde die Rente erst von dem Kalendermonat an geleistet, in dem sie beantragt werde. Allein aus der Erfüllung der Wartezeit könne ein Rentenanspruch nicht abgeleitet werden.
Am 15.02.2022 übersandte die Beklagte ein Hinweisschreiben an den Kläger, dessen Inhalt nicht mehr genau nachvollzogen werden kann. Dieses Schreiben ging dem Kläger nicht zu.
Mit E-Mail vom 15.12.2022 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er seine aktuelle Adresse mitteilen wolle, wenn diese der Beklagten noch nicht bekannt sei. Die Beklagte vermerkte in der Verwaltungsakte hierzu, dass dieses Adresse seit 2020 bekannt sei.
Am 22.12.2022 beantragte der Kläger bei der Beklagten nach telefonischer Rücksprache die Gewährung einer Rente wegen Alters. Hierbei teilte er mit, dass er das Schreiben vom 15.02.2022 nicht erhalten habe, weshalb er die Gewährung der Regelaltersrente ab dem 01.04.2022 beantrage.
Mit Bescheid vom 14.02.2023 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Regelaltersrente ab dem 01.12.2022. Die Rente werde ab dem ersten des Antragsmonats geleistet, da der Antrag erst nach Ablauf des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats gestellt worden sei, in welchem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt gewesen seien. Am 15.02.2022 sei dem Kläger ein Hinweisschreiben übersandt worden, ohne dass ein Postrückläufer zu verzeichnen sei. Er habe erst am 15.12.2022 seine Adressänderung mitgeteilt.
Am 01.03.2022 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.02.2023 und bat darum, ihm das Hinweisschreiben mit der damals hinterlegten Anschrift zukommen zu lassen.
Mit Schreiben vom 06.03.2023 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er durch Rentenauskünfte vom 20.09.2017 und vom 25.04.2018 darüber informiert worden sei, dass er einen Anspruch auf die Regelaltersrente ab dem 01.04.2022 habe.Die Rentenauskunft vom 20.09.2017 habe die Aussage enthalten, dass mit 54 Monaten die allgemeine Wartezeit von 60 Monaten noch nicht erfüllt sei. Mit der Rentenauskunft sieben Monate später habe er die Mitteilung erhalten, dass die Wartezeit für die Regelaltersrente erfüllt sei und der Anspruch ab dem 01.04.2022 bestehe. Wurde gegenüber einem Berechtigten eine Hinweispflicht nach§ 115 Abs. 6 SGB VI nicht erfüllt, stehe damit jedoch nicht zwangsläufig fest, dass dieser im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen sei, als habe er die Leistung rechtzeitig beantragt. Über die Rentenantragstellung sei der Versicherte regelmäßig ausreichend informiert, wenn Rentenauskünfte im Sinne des§ 109 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) übersandt worden seien. Mit der Rentenauskunft erhalten die Versicherten einen Versicherungsverlauf, ein Anschreiben zu den einzelnen Rentenansprüchen und ihren Voraussetzungen und zusätzlich die Mitteilung ...