Tina Bieniek, Dr. iur. Stefan Lammel
Zusammenfassung
Der Sitz einer aufgelösten GmbH kann nur verlegt werden, wenn dies nicht dem Wesen der auf Abwicklung gerichteten Liquidation widerspricht. Erschwert die Sitzverlegung den Gesellschaftsgläubigern das Auffinden der Gesellschaft, ist sie unzulässig.
Der Hintergrund: Sitzverlegung im Liquidationsverfahren
Eine GmbH war durch Gesellschafterbeschluss aufgelöst und ihre Auflösung in das Handelsregister eingetragen worden. Während des Liquidationsverfahrens wurde die Sitzverlegung der Gesellschaft von Frankfurt nach Berlin sowie die Änderung der Geschäftsanschrift beschlossen und vom Liquidator zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet. Das für die Eintragung zuständige Amtsgericht wies den Eintragungsantrag zurück.
Der Beschluss des KG Berlin v. 24.4.2018, 22 W 63/17
Die Beschwerde der Gesellschaft gegen die Zurückweisung der Eintrag blieb ohne Erfolg. Das KG Berlin vertrat den Standpunkt, dass eine Sitzverlegung im Liquidationsverfahren nur zulässig sei, wenn dies nicht dem Wesen der auf Abwicklung gerichteten Liquidation widerspreche. Unzulässig sei eine Sitzverlegung nach der Auflösung der Gesellschaft deswegen dann, wenn sie den Gläubigern der Gesellschaft das Auffinden der Gesellschaft erschwere.
Erfordernis eines rechtfertigenden Grundes für die Sitzverlegung
Die wesentliche Kernfrage des vom KG Berlin behandelten Falles ist, ob und – wenn ja – unter welchen Voraussetzungen im Liquidationsverfahren einer GmbH noch Satzungsänderungen (z.B. eine Sitzverlegung) wirksam beschlossen werden können. Insofern gilt: Satzungsänderungen bei einer in Liquidation befindlichen GmbH sind nicht per se unzulässig; sie dürfen aber dem Zweck und Wesen des Liquidationsverfahrens (Umsetzung des Gesellschaftsvermögens in Geld, Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger, Schlussverteilung an die Gesellschafter) nicht widersprechen.
Vor diesem Hintergrund sah das KG Berlin die Satzungsänderung in Form der Sitzverlegung bei der betroffenen GmbH als unzulässig an. Das Gericht begründete dies damit, dass es den Gesellschaftsgläubigern durch die Sitzverlegung (und der damit einhergehenden geänderten Zuständigkeit eines neuen Registergerichts und der Vergabe einer neuen Registernummer) erschwert werde, die Gesellschaft zu finden. Dies widerspreche jedoch gerade dem Zweck des Liquidationsverfahrens. Dieses Argument ist zumindest für die Fälle, in denen es durch die Sitzverlegung zur Änderung der Zuständigkeiten kommt, einleuchtend. Wenn eine Sitzverlegung allerdings innerhalb des gleichen Registerbezirks erfolgt, bestehen die vom KG Berlin angeführten Risiken gerade nicht. Ist eine solche dann stets möglich?
Dazu äußert sich das KG Berlin nicht ausdrücklich. In seinem Beschluss kommt aber zum Ausdruck, dass das Gericht die Zulässigkeit von Satzungsänderungen während des laufenden Liquidationsverfahrens nur anzunehmen scheint, wenn es für diese einen sachlichen und im Rahmen des mit dem Liquidationsverfahren verfolgten Zwecks liegenden Grund gibt (das KG Berlin spricht insofern von einem "Vorbehalt der Zweckmäßigkeit"). Vorsorglich sollten Satzungsänderungen bei in Liquidation befindlichen GmbHs daher nur beschlossen werden, wenn es für diese tatsächlich einen rechtfertigenden Grund gibt. Das KG Berlin führt selbst verschiedene Beispiele an, so z.B. Kapitalerhöhungen zur ausreichenden Befriedigung der Gläubiger oder eine Änderung der Vertretungsbefugnisse der Liquidatoren zur Beschleunigung der Abwicklung. Sitzverlegungen dürften vor dem Hintergrund des Beschlusses des KG Berlin nur selten und ohnehin nur innerhalb desselben Registergerichtsbezirks zulässig sein. Gegebenenfalls lassen sich die mit einer Sitzverlegung verfolgten Ziele (z.B. die Erreichbarkeit an einem anderen Ort, an dem beispielsweise der Liquidator ansässig ist) aber ohnehin auf leichterem Wege, nämlich über eine schlichte Änderung der Geschäftsanschrift, erreichen. Diese scheint das Gericht nämlich ohne Begrenzung auf eine Zweckmäßigkeitskontrolle zulassen zu wollen.