Leitsatz
Art. 8 Abs. 1 und 2 der RL 90/434/EWG des Rats vom 23.07.1990 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, steht einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, nach der ein Austausch von Anteilen dazu führt, dass bei den Gesellschaftern der erworbenen Gesellschaft der Einbringungsgewinn i.H.d. Unterschiedsbetrags zwischen den ursprünglichen Anschaffungskosten der eingebrachten Anteile und ihrem Verkehrswert besteuert wird, sofern die erwerbende Gesellschaft nicht den historischen Buchwert der eingebrachten Anteile in ihrer eigenen Steuerbilanz ansetzt.
Normenkette
Art. 3, Art. 8 Abs. 1 und 2, Art. 11 Abs. 1 Buchst. a EWGRL 90/434, § 20 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 und 2, Abs. 4 S. 1, § 23 Abs. 4 S. 1, § 26 Abs. 2 S. 1 UmwStG 1995
Sachverhalt
Die Klägerin, eine inländische AG, war im Streitjahr 2000 – neben einer Schweizer AG – an einer inländischen GmbH (C-GmbH) beteiligt; sie hielt 89,5 % der Anteile. Am 28.04.2000 wurde diese Beteiligung der Klägerin gegen Gewährung neuer Aktien im Weg der Kapitalerhöhung in eine französische société anonyme, die C-S.A., eingebracht. Die erworbenen Aktien, deren Börsenkurs in der Folgezeit stark absank, mussten aufgrund börsenaufsichtsrechtlicher Verpflichtungen binnen fünf Jahren veräußert werden, davon zum 24.05.2000 25 % und danach jährlich 15 %.
Da die Anteile der C-GmbH von der C-S.A. in der Handels- und Steuerbilanz nicht mit dem Buchwert der Anteile, sondern mit deren im Einbringungsvertrag angesetzten Verkehrswert angesetzt wurden, verweigerte das FA unter Hinweis auf § 23 Abs. 4 S. 1 und § 20 Abs. 4 S. 1 UmwStG 1995 und das dazu ergangene BMF-Schreiben vom 25.03.1998 (BStBl I 1998, 268, dort Tz. 23.10) der Klägerin die Fortführung der Buchwerte, sah den Einbringungsvorgang als steuerpflichtig an und besteuerte dementsprechend einen Einbringungsgewinn i.H.d. Unterschiedsbetrags zwischen den ursprünglichen Anschaffungskosten und dem Verkehrswert.
Die Klage gegen die hiernach ergangenen Steuerbescheide war erfolgreich (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.02.2005, 6 K 209/02, Haufe-Index 1345022, EFG 2005, 994), wobei das FG meinte, im Sinn der Klägerin unmittelbar durcherkennen zu können. Der BFH war vorsichtiger und überantwortete die Antwort nach der europarechtlichen Beurteilung dem EuGH: Er legte diesem die Sache gem. Art. 234 Abs. 3 EG vor.
Entscheidung
Der EuGH hat jetzt keinen Zweifel daran belassen, dass das FG richtig entschieden hatte: Die doppelte Buchwertverknüpfung hielt der Fusions-RL der EG nicht stand.
Hinweis
1. Es ging um die Frage nach dem Erfordernis der sog. doppelten Buchwertverknüpfung gem. § 20 Abs. 2 S. 1 und 2, Abs. 4 S. 1 i.V.m. § 23 Abs. 4 S. 1 UmwStG 1995, wenn grenzüberschreitende Zusammenhänge innerhalb der EU betroffen sind:
§ 23 Abs. 4 UmwStG 1995 regelt die Einbringung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die die Voraussetzungen des Art. 3 der sog. Fusions-RL der EG (vom 23.07.1990) erfüllt (EU-Kapitalgesellschaft), in eine andere EU-Kapitalgesellschaft. Hat die übernehmende Kapitalgesellschaft bei einer solchen Einbringung aufgrund ihrer Beteiligung einschließlich der übernommenen Anteile nachweisbar unmittelbar die Mehrheit der Stimmrechte an der Gesellschaft, deren Anteile eingebracht werden (vgl. § 20 Abs. 1 S. 2 UmwStG 1995), so gelten für die Bewertung der Anteile, die die übernehmende Kapitalgesellschaft erhält, § 20 Abs. 2 S. 1 bis 4 und 6 UmwStG 1995 und für die Bewertung der neuen Anteile, die der Einbringende von der übernehmenden Kapitalgesellschaft erhält, § 20 Abs. 4 S. 1 UmwStG 1995 entsprechend.
Nach § 20 Abs. 2 S. 1 UmwStG 1995 wiederum darf die Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen mit seinem Buchwert oder mit einem höheren Wert ansetzen. Nach S. 2 der Vorschrift ist der Buchwertansatz auch zulässig, wenn in der Handelsbilanz das eingebrachte Betriebsvermögen nach handelsrechtlichen Vorschriften mit einem höheren Wert angesetzt werden muss. § 20 Abs. 4 S. 1 UmwStG 1995 bestimmt allerdings, dass der Wert, mit dem die Kapitalgesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen ansetzt, für den Einbringenden als Veräußerungspreis und als Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile gilt. Mit dieser letzteren Regelung verlangt das Gesetz die besagte sog. doppelte Buchwertverknüpfung. Eine Unterscheidung zwischen Inlands- und Auslandseinbringungen trifft das Gesetz insoweit nicht; beide Sachverhalte werden gleich behandelt.
2. Gleichwohl erkennt der EuGH in der Verknüpfung einen EG-Rechtsverstoß:
Sie ist nicht mit Art. 8 Abs. 2 der Fusions-RL vereinbar. Denn danach darf die Zuteilung von Anteilen am Gesellschaftskapital der übernehmenden oder erwerbenden Gesellschaft an die Gesellschafter der einbringenden oder erworbenen Gesellschaft gegen Anteile an deren Gesellschaftskapital u.a. aufgrund des Austauschs von Anteilen für sich allein keine Besteuerung des Veräußerungsg...