Alexander Steinmetz, Rocío García Alcázar
Rz. 160
Das spanische Recht verlangt in romanischer Rechtstradition – anders als das deutsche Recht, wonach das Vermögen des Erblassers mit seinem Tode, jedoch ohne Zutun der Erben auf diese übergeht (§ 1922 BGB) – zunächst die Annahme der Erbschaft, bevor der Erbe etwa aus der Erbschaft erwachsene Rechte ausüben kann. Mit anderen Worten: Mit dem Tod des Erblassers erwirbt der Erbe spanischen Rechts bloß das Recht, die Erbschaft durch Annahme tatsächlich zu erwerben. Ist die Annahme oder anderenfalls die Ausschlagung erfolgt, wirkt sie auf den Zeitpunkt des Erbfalls zurück (Art. 989 CC). Sie können weder auf einen Teil der Erbschaft beschränkt noch unter einer Bedingung oder Befristung vorgenommen werden (Art. 990 CC). Annehmen oder ausschlagen kann jeder, der die freie Verfügungsgewalt über sein Vermögen hat, also geschäftsfähig ist (Art. 992 Abs. 1 CC). Im Fall der Annahme durch eine verheiratete Person ist in Art. 995 CC vorgesehen, wenn ohne Mitwirkung des anderen Ehegatten und ohne Beschränkung der Erbenhaftung angenommen wird, dass das Vermögen der ehelichen Gütergemeinschaft nicht für die Nachlassschulden haftet. Im Übrigen sind Annahme und Ausschlagung unwiderruflich; angefochten werden können sie nur, wenn sie an einem Mangel leiden, der zur Nichtigkeit führt, oder wenn ein bis dahin unbekanntes Testament auftaucht (Art. 997 CC).
Rz. 161
In formeller Hinsicht gilt Folgendes: Die Annahme kann pura y simplemente (schlicht und einfach) oder a beneficio de inventario (wörtlich: "unter der Rechtswohltat des Inventars") erfolgen (Art. 998 CC).
Rz. 162
Die schlichte oder unbedingte Annahme kann ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen: Wird ausdrücklich angenommen, muss dies in öffentlicher oder privater Urkunde erklärt werden (Art. 999 Abs. 1 und 2 CC). Dabei ist die Erklärung zu notarieller Urkunde gar zwingend erforderlich, um überhaupt als Erbe im Eigentumsregister/Grundbuch eingetragen werden zu können.
Rz. 163
Eine stillschweigende (tácita) Annahme liegt vor, wenn der als Erbe Berufene eine Handlung vornimmt, die notwendigerweise den Annahmewillen voraussetzt oder zu deren Vornahme er nur als Erbe berechtigt wäre (Art. 999 Abs. 3 CC). Nach Art. 1000 CC gilt die Erbschaft insbesondere bei folgenden Handlungen kraft Gesetzes als angenommen: bei Verkauf, Schenkung oder Abtretung des Erbrechts sowie bei – auch unentgeltlichem – Verzicht oder Ausschlagung zugunsten eines oder mehrerer seiner Miterben. Die Wirkung der unbedingten (einfachen) Annahme besteht darin, dass der Erbe für sämtliche Nachlassverbindlichkeiten haftbar wird (Art. 1003 CC).
Rz. 164
Die Ausschlagung der Erbschaft muss stets ausdrücklich sowie in öffentlicher Urkunde erfolgen (Art. 1008 CC). Nach Ausschlagung steht der Erbe so, als ob ihm die Erbschaft nie angefallen wäre. Hat der Erbe seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und ist auf den Nachlass spanisches Recht anwendbar, kann der Erbe seine Ausschlagungserklärung wegen Art. 13 EuErbVO auch gegenüber dem deutschen Nachlassgericht abgeben.
Rz. 165
Eine Frist zur Annahme oder Ausschlagung ist nicht bestimmt: In Art. 1005 CC ist lediglich der Fall geregelt, dass auf Antrag eines Dritten, der ein legitimes Interesse an der Annahme oder Ausschlagung hat, der Notar dem oder den Erben eine Frist von längstens 30 Tagen zur Abgabe der Erklärung setzt. Erfolgt die Erklärung dann nicht fristgerecht, gilt die Erbschaft als angenommen (pura y simplemente; vgl. Rdn 161).