Sachverhalt
Bei dem britischen Verfahren ging es um die Auslegung der Steuerbefreiung für die Verwaltung bestimmter Sondervermögen gemäß Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL. Fraglich war die Reichweite des Begriffs "Sondervermögen". Im Ausgangsverfahren ging es um die Verwaltung eines bestimmten Systems der betrieblichen Altersvorsorge. Dabei sind die aus dem Vermögen zu leistenden Ruhestandsleistungen im Voraus verbindlich definiert. Sollte das Vermögen, das sich aus den Beiträgen des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer speist, nicht zur Deckung der Ruhestandsleistungen ausreichen, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Unterdeckung auszugleichen. Dem EuGH wurde zum einen die Frage vorgelegt, ob ein solches System als "Sondervermögen" im Sinne der Steuerbefreiung anzusehen ist. Zum anderen wollte das vorlegende Gericht wissen, ob auch die Zusammenlegung derartiger Vermögen in einem gemeinsamen Investmentfonds unter den Begriff des "Sondervermögens" fällt.
Gegenstand des Verfahren waren betriebliche Altersversorgungssysteme (BAS), die Ruhestandsleistungen auf leistungsdefinierter Grundlage gewähren (d.h. die Leistungen werden nach einer Formel berechnet, die auf die Länge der Betriebszugehörigkeit des Mitglieds zum Arbeitgeber und das Gehalt aufbaut). Ein gemeinsames Merkmal von leistungsdefinierten BAS ist, dass die Mitglieder üblicherweise regelmäßige Beiträge als Festbetrag einzahlen, während der Arbeitgeber, wenn die bestehenden Beträge nicht ausreichen, verpflichtet ist, Beiträge zu leisten, die die Gesamtkosten der zu gewährenden Leistungen abdecken können. Ein wesentlicher Unterschied zwischen leistungsdefinierten und beitragsdefinierten BAS besteht darin, dass der Arbeitgeber im ersten Fall seine Verpflichtungen gegenüber dem System nicht vorhersehen kann, weil die Leistungen nicht vom Kapitalstock des BAS, sondern von den Dienstjahren und dem Gehalt der in den Ruhestand eintretenden Arbeitnehmer abhängen. Bei BAS mit definierter Beitragsleistung besteht keine Kostendeckungspflicht des Arbeitgebers, weil die Möglichkeit einer Unterdeckung nicht besteht.
Die Klägerinnen sind Treuhänderinnen eines Investmentfonds, in dem Kapital verschiedener BAS zu Zwecken der Vermögensanlage zusammengeführt ist bzw. Treuhänderinnen der an dem Fonds beteiligten BAS. Sie begehrten die Steuerbefreiung für die Verwaltung der Fonds/BAS nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL. Sie machten geltend, die BAS fielen unter den Begriff des Sondervermögens nach dieser Vorschrift. Die britische Finanzbehörde war der Auffassung, die leistungsdefinierten BAS seien keine Sondervermögen und unterschieden sich von den im Vereinigten Königreich anerkannten Fonds. Die Leistungen eines leistungsdefinierten BAS stünden in keinerlei Zusammenhang mit (a) der Höhe der vom Arbeitgeber ggf. geleisteten Beiträge, (b) der Anlageentwicklung des Kapitalvermögens des BAS oder (c) den vom BAS gezahlten Verwaltungsgebühren. Wegen dieses fehlenden Zusammenhangs zwischen den geleisteten Beiträgen und der Anlageentwicklung einerseits und der vom Arbeitnehmer empfangenen Leistungen bzw. des von ihm empfangenen aufgeschobenen Gehalts andererseits seien leistungsdefinierte BAS nicht als Instrument für eine Anlage durch den Arbeitnehmer anzusehen.
Entscheidung
Der EuGH hat entschieden, dass ein Fonds wie der des Ausgangsverfahren, in dem das Kapitalvermögen eines Altersversorgungssystems zusammengeführt wird, nicht als Organismus für gemeinsame Anlagen im Sinne der OGAW-Richtlinie angesehen werden kann. Ein solcher Fonds ist kein Publikumsfonds, sondern stellt einen mit dem Beschäftigungsverhältnis verbundenen Vorteil dar, den die Arbeitgeber lediglich ihren Angestellten gewähren.
Die Mitglieder eines Altersversorgungssystems wie des Vorlagefalles tragen nach den weiteren Entscheidungsgründen insbesondere nicht die Risiken der Verwaltung des Investmentfonds, in dem das Kapitalvermögen dieses Systems zusammengeführt wird, im Gegensatz zu privaten Anlegern, die ihr Vermögen in einem Organismus für gemeinsame Anlagen anlegen. Während die Rente, die ein Angestellter erhalten kann, der Mitglied eines Alterversorgungssystems ist, in keiner Weise vom Wert des Kapitalvermögens des Systems und den Ergebnissen der von den Verwaltern des Systems getätigten Anlagen abhängt, sondern durch die Dauer seiner Beschäftigung bei dem Arbeitgeber und die Höhe seines Gehalts vorgegeben ist, richtet sich der Gewinn, den Personen, die Anteile an einem Organismus für gemeinsame Anlagen kaufen, erwarten können, nach den Ergebnissen der Anlagen, die von den Verwaltern des Fonds während des Zeitraums, während dessen sie diese Anteile halten, getätigt werden.
Hinweis
Der EuGH bestätigt im Prinzip seine bisherige Rechtsprechung, wonach mit der Befreiung von Umsätzen im Zusammenhang mit der Verwaltung von Sondervermögen u. a. bezweckt wird, den Anlegern die Wahl zwischen unmittelbarer Anlage in Wertpapiere und derjenigen, die durch Einschaltung von Organismen für gemeinsame Anlagen erfolgt, z...