Leitsatz

  • Stimmrechtsberechtigung des Sohnes einer Eigentümerin aufgrund jahrelanger Gestattung trotz vertretungseinschränkender Vereinbarung

    Ausreichender Beschrieb von Beschlusspunkten in der Tagesordnung einer Einladung

    Nachbarerklärungen

 

Normenkette

§ 23 Abs. 2 WEG, § 25 WEG, § 242 BGB

 

Kommentar

1. Hat eine Wohnungseigentümergemeinschaft über mehrere Jahre auch die Stimmrechtsvertretung einer Eigentümerin in der Eigentümerversammlung hingenommen (hier die Vertretung der Mutter durch ihren Sohn), obwohl dies der Praxis der in der Gemeinschaftsordnung vereinbarten Vertretungsbeschränkung nicht entsprach, darf die Gemeinschaft ihre bisherige Zulassungspraxis nur in einer Weise ändern, die gewährleistet, dass die betroffene Wohnungseigentümerin rechtzeitig für ihre ordnungsgemäße Vertretung sorgen kann. Ihrem Sohn wurde in der Gemeinschaft sogar seinerzeit eine besondere Vertrauensstellung eingeräumt, da ihn die Gemeinschaft zum Mitglied des Verwaltungsbeirats bestellt hatte. Aus diesem Grund erwuchs eine entsprechende Vertrauensposition. Die Mutter als Eigentümerin konnte davon ausgehen, dass die Gemeinschaft frühere, wenn auch vereinbarungswidrige Handhabung jedenfalls nicht abrupt ändern würde, ohne ihr die Möglichkeit zu geben, zur Gewährleistung ihrer Mitwirkung an der gemeinschaftlichen Verwaltung für anderweitige, vereinbarungskonforme Vertretung Sorge zu tragen.

2. Diese Auffassung steht auch nicht in Widerspruch zu den Grundsatzentscheidungen des BGH vom 29. 1. 1993 (BGHZ 121, 236 = NJW 93, 1329 und schon früher BGHZ 99, 90, 96 = NJW 87, 650). Der BGH hat in den genannten Entscheidungen ausdrücklich hervorgehoben, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft u.U. nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ( § 242 BGB) gehalten sein könne, nicht auf der durch die Teilungserklärung geregelten Vertretungsbeschränkung zu bestehen. Nach vorliegendem Sachverhalt ist von einem solchen Vorbehalt bzw. einer solchen Ausnahme nach Treu und Glauben auszugehen.

3. Nach § 23 Abs. 2 WEG sind Beschlusspunkte im Einladungsschreiben zu einer Versammlung in ausreichender Form anzukündigen (zur Gewährleistung des Informationsinteresses aller Eigentümer). Beschlussinhalte oder auch entsprechende Anträge, die der Diskussion der Versammlung überantwortet bleiben, müssen insoweit nicht bereits in die Ladung aufgenommen werden. Schlagwortartige Bezeichnungen genügen, so auch Punkte wie "Rechte des Verwalters" (erwünschte Beschlussfassung zum Umfang der Vollmacht eines Verwalters), "Verwaltervertrag" (Beschlussfassung zum Abschluss eines Verwaltervertrages), "Rücklagen" (Beschlussfassung über Zuweisung eines Betrages von DM 20.000,- zu den Rücklagen) und zuletzt "Gemeinschaftsantenne" (Beschlussfassung über die Installation und Anmietung einer Gemeinschafts-Satellitenanlage).

Da noch weitere Abklärung und Sachvortragsverpflichtungen zur Frage inhaltlich ordnungsgemäßer Verwaltung der angefochtenen Beschlüsse bestünden, musste der Streit an das LG zurückverwiesen werden.

4. Was die Vollmacht des Verwalters für Nachbarerklärungen betrifft, muss erneut ergänzend darauf hingewiesen werden, dass es bei der Regelung von Angelegenheiten, die Abwehrrechte aus dem gemeinschaftlichen Eigentum gegenüber den Eigentümern von Nachbargrundstücken betreffen, nicht um die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums geht, solche Angelegenheiten somit nicht einer mehrheitlichen Beschlussfassung zugänglich sind (Senat vom 13. 11. 1990, MDR 91, 350; ebenso OLG Köln, FGPrax 95, 191).

5. Geschäftswertansatz für die Rechtsbeschwerdeinstanz DM 15.000,-.

 

Link zur Entscheidung

( OLG Hamm, Beschluss vom 12.12.1996, 15 W 424/96)

zu Gruppe 5: Rechte und Pflichten der Miteigentümer

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