Leitsatz

Honorarvereinbarungen, die dem Strafverteidiger mehr als das fünffache der gesetzlichen Gebühr zuerkennen, sind zwar i.d.R. unwirksam, können jedoch in besonderen Einzelfällen zulässig sein.

 

Sachverhalt

Der BGH hatte folgenden Fall auf der Grundlage der Bundes-Rechtsanwaltsgebühren-Ordnung zu entscheiden: Der Kläger, ein Rechtsanwalt, verteidigte den Beklagten in einem Verfahren vor dem Schöffengericht. Zuvor ließ er sich von dem Beklagten eine vom Kläger vorgefertigte Honorarvereinbarung unterzeichnen, die einen Stundensatz von 450 EUR vorsah. Außerdem wies die Vereinbarung am Ende folgende Bestimmung auf: "Ich habe eine Kopie dieser Honorarvereinbarung erhalten". Nach Zahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 2000 EUR forderte der Kläger ein darüber hinausgehendes Zeithonorar in Höhe von 23094,79 EUR. Das LG hielt die Vereinbarung für wirksam und gab der auf Zahlung gerichteten Klage statt. Das OLG wies die Klage ab. Überraschend ist die Begründung: Das OLG stellte nicht auf die möglicherweise unzulässige Höhe des vereinbarten Zeithonorars ab. Vielmehr sah es in dem Zusatz über die Aushändigung der Honorarvereinbarung eine unzulässige weitere Nebenabrede.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 BRAGO durften in anwaltlichen Vordrucken, die einen übergesetzlichen Honoraranspruch vorsahen, keine honorarfremden Nebenabreden enthalten sein. Diese Vorschrift ist nach dem inzwischen geltenden Rechtsanwaltsvergütungsgesetz abgemildert, jedoch müssen Nebenabreden immer noch von der eigentlichen Vergütungsvereinbarung klar abgesetzt sein.

Das OLG hat die in der Honorarvereinbarung enthaltene "Aushändigungsquittung" als unzulässig angesehen und die gesamte Honorarvereinbarung für unwirksam erklärt. Auf die Revision des Klägers hat der BGH die Entscheidung des OLG aufgehoben und den Rechtsstreit an das OLG zurückverwiesen. Nach Auffassung des BGH ist eine Nebenabrede, die sich unmittelbar auf die Honorarvereinbarung bezieht und lediglich deren Annex ist, zulässig. Im Übrigen war der Rechtsstreit nach Auffassung des BGH noch nicht entscheidungsreif. Er stellte unter Bezugnahme auf die bisherige BGH-Rechtsprechung folgende Eckpunkte für die weitere Entscheidung auf:

Vereinbart ein Rechtsanwalt bei Strafverteidigungen eine Vergütung, die mehr als das fünffache über den gesetzlichen Höchstgebühren liegt, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie unangemessen hoch und das Mäßigungsgebot des § 3 Abs. 3 BRAGO (jetzt: § 3a RVG) verletzt ist. Diese Vermutung kann jedoch durch den Rechtsanwalt entkräftet werden, wenn er einzelfallbezogene Umstände darlegt, die die Angemessenheit der Gebühr begründen. Der Gesetzgeber hat nach Auffassung des BGH die Zahl der Hauptverhandlungstage als zentralen Bemessungsfaktor für die Vergütung angesehen.

Insbesondere bei aufwendigen Strafverfahren, die durch Absprachen zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung wesentlich vereinfacht werden, finde die eigentliche Arbeit des Anwalts außerhalb der Hauptverhandlung statt. Der indizielle Zusammenhang zwischen Arbeitsaufwand und der Zahl der Hauptverhandlungstermine sei in solchen Fällen aufgelöst. Hier sei auch eine wesentlich erhöhte Gebühr im Einzelfall angemessen. Dabei wies der BGH ausdrücklich darauf hin, dass an den hohen Anforderungen der bisherigen BGH-Rechtsprechung möglicherweise nicht in vollem Umfang festgehalten werden könne, sondern zugunsten des Rechtsanwalts weniger strenge Maßstäbe anzulegen seien. Im Übrigen betraf die bisherige BGH-Rechtsprechung das erhöhte Pauschal-/Zeithonorar. Eine Grundsatzentscheidung zum reinen Zeithonorar liegt noch nicht vor.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 19.5.2009, IX ZR 174/06.

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