Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Individueller Ergänzungsanspruch bei unvollständiger Jahresabrechnung
Zur gesetzlichen Zustellungsvertretung des Verwalters
"Teilabrechnung" möglich
Alle Geldbewegungen sind abzurechnen und aufzuschlüsseln
Normenkette
§ 16 Abs. 5 WEG, § 21 Abs. 4 WEG, § 23 Abs. 4 WEG, § 28 WEG
Kommentar
1. Nach bereits landgerichtlich für ungültig erklärten Verwalterentlastungsbeschlüssen ging es im vorliegenden Verfahren noch um die Beschlussanfechtungsanträge über Abrechnungsgenehmigungsbeschlüsse und gestellte Hilfsanträge zur Ergänzung von Jahresabrechnungen. Unter Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung wurde die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, das auch noch über die Gerichtskosten der Dritten Instanz zu befinden habe.
2. Wird ein Abrechnungsergänzungsanspruch erst in Zweiter Instanz im Streit über die Gültigkeit einer Jahresabrechnung gestellt, fehlt regelmäßig die Sachdienlichkeit für die Zulassung einer solchen Antragserweiterung, da ohne die Zulassung des Ergänzungsantrages der Anfechtungsstreit einfacher entschieden werden kann, da die Unvollständigkeit einer Jahresabrechnung nicht zur Ungültigkeit des Abrechnungsgenehmigungsbeschlusses führen muss und die Einführung von Ergänzungsanträgen (Verpflichtungsanträgen) dieses Verfahren erheblich verlängern kann. Hat allerdings die zweite Tatsacheninstanz Sachdienlichkeit der Antragserweiterung bejaht, ist die Rechtsbeschwerdeinstanz aus Rechtsgründen daran gebunden (gleiches gilt für die Revisionsinstanz im ZPO-Verfahren).
3. Die gesetzliche Zustellungsvertretung des Verwalters im Verfahren stößt bei Interessenkollision des Verwalters auf Bedenken gegen eine (weitere) Verfahrensvertretung der Eigentümer durch den Verwalter. Auch hinsichtlich individuell gestellter Ergänzungsanträge gegen Verwalter und Gemeinschaft kann ein solcher Interessenwiderstreit zwischen Verwalter und Gemeinschaft nicht verneint werden, da eine solche beantragte Ergänzung der Jahresabrechnung unmittelbar Pflichten des Verwalters betrifft, mittelbar aber auch Pflichten der Eigentümer untereinander (da diese grundsätzlich auch über eine Abrechnungsergänzung zu beschließen hat). Damit sind sämtliche Eigentümer wie auch der Verwalter in einem solchen Verfahren materiell Beteiligte, die als solche auch formell zu beteiligen sind. Vorliegend musste von einer Interessenkollision des Verwalters ausgegangen werden, da nach Akteninhalt nicht festgestellt werden konnte, ob der Verwalter neben seiner eigenen Vertretung zugleich auch die Vertretung der Eigentümer wahrnehmen konnte.
Mangels formeller Beteiligung der Eigentümer (ein Gebot des rechtlichen Gehörs und der Sachaufklärung) musste das Verfahren aufgrund dieses Verfahrensfehlers aufgehoben und an das Landgericht zurückverwiesen werden und zwar von Amts wegen und ohne Rücksicht darauf, ob die Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhte oder nicht.
4. Für die weitere Behandlung der Sache in rechtlicher Hinsicht gab der Senat folgende Hinweise:
4.1 In einer Gesamtabrechnung sind die tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben einzustellen, ohne dass es auf die materielle Berechtigung ankommt, also auch dann, wenn Kosten des Sondereigentums aus gemeinschaftlichen Mitteln beglichen wurden. Eine Abrechnung, die dies berücksichtigt, kann nicht in Frage gestellt werden. Ein Abrechnungsgenehmigungsbeschluss ist auch nicht deshalb für ungültig zu erklären, weil evtl. Rechtsverfolgungs- und Sanierungskosten nicht Eingang in Einzelabrechnungen gefunden hatten sowie darüber hinaus unterlassen wurde, die auf die Vorjahre nachträglich geleisteten Wohngeldzahlungen ordnungsgemäß aufzuteilen.
Fehlen allerdings Bestandteile einer Abrechnung, die zunächst ohne Einfluss auf das Ergebnis auch der Einzelabrechnungen sind (z.B. Einnahmen und Ausgaben), so kann jeder Eigentümer lediglich eine entsprechende Ergänzung der Abrechnung durch den Verwalter und deren Genehmigung durch einen weiteren Eigentümerbeschluss (nicht aber die Ungültigkeit des Abrechnungsbeschlusses) durchsetzen (vgl. auch Bub, Das Finanz- und Rechnungswesen, 2. Aufl., Rn. 176 m.w.N.; Bärmann/Pick/Merle, 7. Aufl., § 28 Rn. 107).
Wenn ein Verwalter zur Vorbereitung der Beschlussfassung der Eigentümer nur eine Teilabrechnung erstellt und noch nicht abrechnungsreife Bereiche ausklammert, verstoßen Eigentümer nicht gegen Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn sie über den abgerechneten Bereich bereits einen Mehrheitsbeschluss fassen und evtl. Abrechnungsspitzen betreffend die Nachzahlung festlegen. Würden sie nämlich den Verwalter erst auf Ergänzungsabrechnung in Anspruch nehmen, blieben die Beitragspflichten der Eigentümer untereinander insgesamt noch für unabsehbare Zeit in der Schwebe. Mit einer Ungültigkeitserklärung der Teilabrechnung wegen Unvollständigkeit würde die Gemeinschaft zudem Schaden erleiden, wenn die Teilabrechnung nach Jahr und Tag gerichtlich aufgehoben würde und das Gesamtabrechnungswerk erneut insgesamt neu beschlossen werden müsste, zum...