Kai-Thorsten Röller, Carolin Babel
Dass der Brexit auch hinsichtlich der Grunderwerbsteuer Praxisprobleme mit sich bringt, wurde im Rahmen der Einleitung deutlich. Das Thema "Brexit" beschäftigt daher nicht nur den Gesetzgeber. Insbesondere für Unternehmen, aber auch Berater besteht ein Bedürfnis nach Klarheit hinsichtlich der rechtlichen Konsequenzen des (ungeregelten) Brexit.
Man kann dem Gesetzgeber mit Blick auf die Grunderwerbsteuer nicht vorwerfen, untätig gewesen zu sein, denn im Gesetz sind in § 4 Nr. 6 GrEStG (§ 4 Nr. 6 angef. durch Brexit-StBG vom 25.03.2019, BGBl I 2019, 357), in § 6a Satz 5 GrEStG (§ 6a Satz 5 angef. durch Brexit-StBG vom 25.03.2019, BGBl I 2019, 357) sowie in § 5 Abs. 3 Satz 2 und § 6 Abs. 3 Satz 2 GrEStG (jeweils angef. durch das JStG 2020 vom 21.12.2020, BGBl I 2020, 3096) Brexit-spezifische Regelungen aufgenommen worden.
2.1 Besondere Ausnahmen von der Besteuerung, § 4 GrEStG
§ 4 GrEStG enthält für bestimmte Rechtsträger eine Ausnahme von der Besteuerung für nach § 1 GrEStG steuerbare Grundstückserwerbe und führt diese Rechtsvorgänge in den Nr. 1 bis 6 auf. In den Nr. 1 bis 5 sind unter besonderen Voraussetzungen Grundstückserwerbe von Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie durch ausländische Staaten oder Erwerbsvorgänge im Zusammenhang mit kommunalen Zusammenschlüssen befreit. Der Anwendungsbereich ist aufgrund dieses gesetzlich kodifizierten Begünstigungskreises stark eingeschränkt (Nienhaus in Behrens/Wachter, GrEStG, 2018, § 4 GrEStG Rn. 2). Mit dem Eintritt des Brexits und dem Ablauf des Übergangszeitraums dürfte der Anwendungsbereich von § 4 GrEStG aufgrund der Neuaufnahme von § 4 Nr. 6 GrEStG an praktischer Bedeutung gewonnen haben.
Sah weder der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum Brexit-StBG (BT-Drs. 19/7377 vom 28.01.2019) noch die Stellungnahme des Bundesrates (BR-Drs. 4/19 vom 15.02.2019) eine Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes vor, wurde auf diese Notwendigkeit erstmals durch den Finanzausschuss des Bundestages aufmerksam gemacht (BT-Drs. 19/7959 vom 20.02.2019, 36). Indem der Finanzausschuss erkannt hatte, dass es verschiedene Fallkonstellationen gibt, in denen allein der Brexit einen grunderwerbsteuerlichen Tatbestand auslösen kann, wurde § 4 GrEStG durch das Brexit-StBG geändert. In § 4 Nr. 6 GrEStG wurde aufgenommen, dass "Erwerbe, die allein auf dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland aus der Europäischen Union beruhen", von der Besteuerung ausgenommen sind.
Fallbeispiel 1
An einer britischen Limited mit Verwaltungssitz im Inland und inländischem Grundvermögen ist nur ein Gesellschafter beteiligt.
Lösung
Mit Vollzug des Brexits geht die sog. "Quasi-Umwandlung" einher (vgl. Abschnitt 1.3.2). Ist an der Limited nur ein Gesellschafter beteiligt, wird die betreffende Gesellschaft mit Vollzug des Brexits als Einzelunternehmen behandelt. Erwirbt der Gesellschafter einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft das Grundstück, führt dies grundsätzlich zu einem grunderwerbsteuerbaren und grunderwerbsteuerpflichten Erwerb. Im o. g. Fall geht das Eigentum von einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft, der Limited, auf das Einzelunternehmen über, sodass der Erwerbsvorgang des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG (Eigentumsübergang am Grundstück, ohne dass ein Rechtsgeschäft, welches den Anspruch auf Übereignung begründet hat, vorausging) verwirklicht wird. Die neu eingeführte Nr. 6 des § 4 GrEStG stellt jedoch diesen Grundstückserwerb des Einzelunternehmens vollständig steuerfrei, da dieser Grundstückserwerb allein auf dem Brexit beruht. Der Vorgang ist zwar grunderwerbsteuerbar, aber grunderwerbsteuerfrei.
In einigen Fallkonstellationen dürfte es durch die Privilegierung gar zu einer Besserstellung des Steuerpflichtigen kommen, da vergleichbare Übertragungen, die nicht auf dem Brexit beruhen, steuerpflichtig gewesen wären.
Praxishinweis
Insoweit empfiehlt es sich, den Brexit-bedingten Grundstückserwerb nach § 19 GrEStG anzuzeigen. Die zuständige Grunderwerbsteuerstelle kann dann die für die Eigentumsumschreibung nötige Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 22 GrEStG ausstellen.
2.2 Steuervergünstigungen bei Umstrukturierungen im Konzern, § 6a GrEStG
Die Steuerbefreiung des § 6a GrEStG wurde durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz (BGBl I 2009, 3950) mit Wirkung ab dem 01.01.2010 in das Gesetz eingefügt und befreit unter restriktiven Voraussetzungen bestimmte konzerninterne Erwerbsvorgänge von der Grunderwerbsteuer. Voraussetzung für diese Steuervergünstigung ist, dass an dem Erwerbsvorgang ein herrschendes Unternehmen und mindestens eine abhängige Gesellschaft beteiligt ist (Konzern nach § 6a GrEStG). Der zu dieser Vorschrift ergangene gleichlautende Ländererlass (Gleichlautender Ländererlass vom 19.06.2012, BStBl I 2012, 662) machte es dem Rechtsanwender nicht einfach, wohl auch aufgrund der teils einschränkenden, teils ausdehnenden Interpretation der Norm. Aufgrund mehrerer Urteile des BFH zur Anwendung des § 6a GrEStG vom 21. und 22.08.2019 wurde der gleichlautende Ländererlass im Jahr 2020 neu gefasst (Gleichlautender Ländererlass vom 22.09.2020, BStBl I 2020, 960). Damit wurden ein...