Wenn das VK umsatzsteuerlich als Drittlandsgebiet zu behandeln ist, hat dies unmittelbare Rechtsfolgen für die Besteuerung von Reiseleistungen nach § 25 UStG. Wenn ein deutscher Veranstalter eine Reiseleistung erbringt, die vollständig im VK ausgeführt wird, ist diese Reiseleistung nach dem Austritt umsatzsteuerfrei (vgl. § 25 Abs. 2 UStG). Entfallen nur Teile einer Reiseleistung auf das VK, sind diese Teile der Marge nach dem Austritt umsatzsteuerfrei. Der Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen, die auf diese steuerfreien Teile entfallen, ist in vollem Umfang möglich (vgl. § 15 Abs. 3 UStG).
Beispiel
Die deutsche Traumreise GmbH bietet eine Gruppenreise nach Cornwall und London an. Das Paket besteht aus Busfahrten nach London und zurück, Busfahrten und Hotelunterbringungen vor Ort, Reiseleiter und Mahlzeiten. Auf dem Hinweg ist zusätzlich eine Übernachtung bei Calais, Frankreich, vorgesehen.
Die Reise ist mit Ausnahme des auf die Übernachtung bei Calais entfallenden Anteils sowie des Anteils der Busfahrt, der in der EU (Deutschland bis Kanaltunnel und zurück nach Deutschland) ausgeführt wird, umsatzsteuerfrei.
Eine offene Frage ist, wie Reiseleistungen im VK ansässiger oder niedergelassener Veranstalter nach dem Austritt aus der EU umsatzsteuerlich zu behandeln sind. Bisher wurde regelmäßig davon ausgegangen, dass die Sonderregelung für Reiseleistungen auch für Veranstalter aus Drittstaaten Anwendung findet. Dies hat in der Vergangenheit teilweise Anlass zu mehrwertsteuerlich motivierten Vertragsgestaltungen unter Nutzung insbesondere von Niederlassungen oder Gesellschaften in der Schweiz gegeben, um mehrwertsteuerliche Vorteile zu realisieren. Hintergrund ist, dass die Schweiz als Drittland keine analoge Regelung für Reiseleistungen in ihrem Mehrwertsteuerrecht kennt. Sie gewährt daher grundsätzlich den Vorsteuerabzug aus Reisevorleistungen und besteuert Reiseleistungen nur insoweit, wie diese in Schweizer Gebiet ausgeführt werden.
Falls die Sonderregelung anzuwenden ist, würde sich mehrwertsteuerlich durch den Austritt zunächst nichts verändern. Änderungen werden nur dann denkbar, wenn das VK aufgrund der nicht mehr bestehenden Bindung an die Vorgaben des Unionsrechts beschließen sollte, die Mehrwertsteuer auf Reiseleistungen neu zu regeln.
Das BMF hat nunmehr in einem sehr kurzen Schreiben vom 29.01.2021 verkündet, dass die Sonderregelung nach § 25 UStG nicht auf Leistungen von Unternehmen angewendet werden könne, die einen Sitz im Drittland und keine feste Niederlassung im Gemeinschaftsgebiet unterhalten. Es gilt eine Nichtbeanstandungsregelung bis 31.12.2020.
Damit können britische Unternehmen nach der Verwaltungsauffassung nur dann eine Besteuerung nach § 25 UStG vornehmen, wenn sie eine Niederlassung in der EU unterhalten. Andernfalls wären sie regelmäßig registrierungspflichtig.
Der Hintergrund ist unklar. Die Nichtanwendbarkeit ergibt sich jedenfalls nicht eindeutig aus dem Wortlaut des UStG oder der Richtlinie (vgl. Art. 306 bis 310 MwStSystRL) und widerspricht auch der Auffassung der Europäischen Kommission. Betroffene Unternehmen sollten weitere Entwicklungen aufmerksam verfolgen.
Praxishinweis
Unternehmen, die Reiseleistungen ausführen oder empfangen, können vom Brexit massiv betroffen sein. Sie sollten einen steuerlichen Berater beauftragen. Wichtig: Reiseleistung kann bereits die Weiterbelastung eines Hotelzimmers an die britische Konzerngesellschaft sein!