Dr. Holger Niehaus, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Der Verteidiger hat stets zu überprüfen, ob die Zustellung mangelfrei erfolgt ist. |
2. |
Unter einer Zustellung versteht man die Übermittlung eines Dokuments an eine Person (§§ 37 Abs. 1 StPO, 166 Abs. 1 ZPO. |
3. |
Mit der Zustellung wird ein doppelter Zweck verfolgt. |
4. |
I.d.R. werden Entscheidungen bekannt gemacht. |
5. |
Zustellungsadressaten können sämtliche Verfahrensbeteiligte sein, denen gegenüber eine Entscheidung bekannt zu machen ist. |
6. |
Das Verfahren der Zustellung vollzieht sich in den drei Schritten der Anordnung, der Bewirkung und der Durchführung. |
7. |
Bei jeder Zustellung können Mängel auftreten. |
Rdn 1850
Literaturhinweise:
Kotz, Verteidigungsansätze im Zusammenhang mit der Zustellung gerichtlicher Entscheidungen – Teil 1, StRR 2013, 4
ders., Verteidigungsansätze im Zusammenhang mit der Zustellung gerichtlicher Entscheidungen – Teil 2, StRR 2013, 44
ders., Verteidigungsansätze im Zusammenhang mit der Zustellung gerichtlicher Entscheidungen – Teil 3, StRR 2013, 84
ders., Verteidigungsansätze im Zusammenhang mit der Zustellung gerichtlicher Entscheidungen – Teil 4, StRR 2013, 124
Kuhn, Zustellung im Strafprozess, JA 2011, 217.
Rdn 1851
1. Rechtsmittel und Rechtsbehelfe bei Zustellung? Natürlich ist die Zustellung nicht anfechtbar, mit Ausnahme der Bewilligung der öffentlichen Zustellung (→ Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Zustellung, Öffentliche Zustellung, Teil A Rdn 1938 ff.). Da eine wirksame Zustellung jedoch Fristen in Lauf setzen kann, muss der Verteidiger stets prüfen, ob die Zustellung mangelfrei erfolgt ist. Lässt sich bei der Prüfung ein – nicht geheilter/heilbarer – Zustellungsmangel auffinden, muss der Verteidiger seine Verteidigungsstrategie darauf aufbauen. Diese Prüfungspflicht rechtfertigt daneben, dass sich der Verteidiger die gesamte Akte kopiert und diese Auslagen auch erstattet werden müssen (Burhoff/Volpert, RVG, Nr. 7000 VV Rn 64 ff. m.w.N.).
Rdn 1852
2.a) Unter Zustellung versteht man die Übermittlung eines Dokuments an eine Person (§§ 37 Abs. 1 StPO, 166 Abs. 1 ZPO). Sie erfolgt schriftlich entweder förmlich oder formlos. Die Beurkundung des Zustellvorgangs ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Zustellung, sondern ermöglicht nur deren Nachweis.
Rdn 1853
b) Zustellung ist der in gesetzlicher Form zu bewirkende Akt, durch den dem Adressaten Gelegenheit zur Kenntnisnahme eines Schriftstücks verschafft wird (BGH NJW 1978, 1858). Von der formlosen Zustellung unterscheidet sich die förmliche Zustellung dadurch, dass der Zugang des Schriftstücks beim Zustellungsadressaten beurkundet wird.
☆ Ebenso wenig wie die Ladung kann auch die allein auf § 36 Abs. 1 beruhende Zustellung als solche angefochten werden (zur Anfechtung der Anordnung der öffentlichen Zustellung → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Zustellung, Öffentliche Zustellung , Teil A Rdn 1975 ). Ihre Wirksamkeit stellt jedoch stets eine notwendige Vorfrage im Zusammenhang mit der Anfechtung einer durch (ggf. fehlerhafte) Zustellung bekannt gemachten gerichtlichen Entscheidung dar.angefochten werden (zur Anfechtung der Anordnung der öffentlichen Zustellung → Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Zustellung, Öffentliche Zustellung, Teil A Rdn 1975). Ihre Wirksamkeit stellt jedoch stets eine notwendige Vorfrage im Zusammenhang mit der Anfechtung einer durch (ggf. fehlerhafte) Zustellung bekannt gemachten gerichtlichen Entscheidung dar.
Rdn 1854
3. Mit der Zustellung wird ein doppelter Zweck verfolgt: Zustellungen geschehen nicht nur im Interesse ihres Veranlassers, der mithilfe der Zustellungsurkunde nachweisen kann, dass der Adressat von dem zugestellten Schriftstück Kenntnis nehmen konnte, sondern auch im Interesse des Adressaten. Ihm gegenüber sollen die Vorschriften über Zustellungen gewährleisten, dass er Kenntnis von dem zuzustellenden Schriftstück nehmen und seine Rechtsverteidigung oder Rechtsverfolgung darauf einrichten kann. Die Vorschriften über die Zustellungen dienen damit auch der Verwirklichung des rechtlichen Gehörs (BGH NJW 1978, 1858; KK/Schneider/Glockzin, § 35 Rn 15 m.w.N.).
Rdn 1855
4. I.d.R. werden Entscheidungen bekannt gemacht. Zur Frage, welche Entscheidung im Wege der Zustellung bekannt gemacht werden muss (→ Rechtsmittel/Rechtsbehelfe, Entscheidungsbekanntmachung, Teil A Rdn 1482 ff.).
☆ Nach der gesetzlich geregelten Verfahrenslogik können folgende Zustellungen nicht die von ihnen beabsichtigte Rechtswirkung entfalten:nicht die von ihnen beabsichtigte Rechtswirkung entfalten:
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Ladung zur HV, wenn nicht spätestens gleichzeitig der Eröffnungsbeschluss zugestellt wird (§ 215 S. 1; BGHSt 29, 224, 230), |
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Urteilszustellungen, wenn nicht zuvor das Protokoll der HV fertiggestellt wurde (§ 273 Abs. 4; Meyer-Goßner/Schmitt, § 273 Rn 34 m.w.N.). |
Ist allerdings (nur) das Urteil im Zeitpunkt der Zustellung nicht fertiggestellt, hat das keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Zustellung, da es sich dann nicht um einen Mangel der Zustellung handelt, sondern um einen des Urteils (BGHSt 46, 204; BGH NStZ-RR 2003, 85; OL...