Dr. Holger Niehaus, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
§ 331 Abs. 1 erfasst das Ersturteil hinsichtlich der dort angeordneten Rechtsfolgen. |
2. |
Das Verschlechterungsverbot verbietet die Änderung zum Nachteil des Angeklagten in der Art der Rechtsfolgen. |
3. |
Das Verschlechterungsverbot verbietet im Grundsatz jede Erhöhung zum Nachteil des Angeklagten. |
Rdn 333
Literaturhinweise:
s. die Hinw. bei → Berufung, Verschlechterungsverbot, Allgemeines, Teil A Rdn 293.
Rdn 334
1. § 331 Abs. 1 erfasst das Ersturteil hinsichtlich der dort angeordneten Rechtsfolgen und zwar dergestalt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers an sich der Strafausspruch im Ganzen dem Verschlechterungsverbot unterliegt. § 331 Abs. 1 und § 358 Abs. 2 S. 1 verwehren dem Richter daher jede nicht ausdrücklich zugelassene (z.B. § 331 Abs. 2) Schlechterstellung des Angeklagten im Strafausspruch im weiteren Sinn (BayObLG NJW 1962, 1261, 1262 m. Anm. Gutmann): Die vom Erstgericht erkannte Strafe stellt somit die Obergrenze dar, auch wenn der geänderte Schuldspruch an sich höhere Strafe erlauben oder sogar erfordern würde (LR-Gössel, § 331 Rn 9).
Rdn 335
2.a) Das Verschlechterungsverbot verbietet die Änderung zum Nachteil des Angeklagten in der Art der Rechtsfolgen. Im Erwachsenenstrafrecht (zum Jugendstrafrecht → JGG-Besonderheiten, Verschlechterungserbot, Teil A Rdn 933 ff.) stellt sich das diesbezügliche Stufenverhältnis der Strafen wie folgt dar:
Rdn 336
Übersicht: Stufenverhältnis der Strafen
Rdn 337
b) Für den Übergang von einer Freiheitsstrafe mit Bewährung zur Freiheitsstrafe ohne Bewährung gilt: Eine Freiheitsstrafe, die der Angeklagte sofort verbüßen muss, trifft ihn schwerer als die zur Bewährung ausgesetzte Strafe, weil erstere unmittelbar in sein Leben eingreift, indem sie ihm sofort für die Dauer der Strafe die Freiheit entzieht. Mit der zur Bewährung ausgesetzten Strafe wird dem Angeklagten eine ihn weniger schwer treffende Strafe zugemessen als mit der unbedingten Verbüßungsstrafe. Die Versagung der Strafaussetzung stellt somit gegenüber der Bewilligung der Strafaussetzung eine Benachteiligung des Angeklagten im Strafausspruch dar, die die §§ 331 Abs. 1 und 358 Abs. 2 S. 1 für den Fall, dass der Angeklagte allein ein Rechtsmittel eingelegt hat, ausschließen wollen (BayObLG NJW 1962, 1261, 1262 m. Anm. Gutmann). Dies gilt auch, wenn das AG fehlerhaft eine günstige Sozialprognose bejaht (§ 56 Abs. 1 StGB), zu Unrecht das Vorliegen besonderer Umstände angenommen (§ 56 Abs. 2 StGB) oder verkannt hat, dass die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Strafe gebietet (§ 56 Abs. 3 StGB).
☆ Ein Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot liegt bei Verhängung einer Bewährungsstrafe durch das AG auch dann vor, wenn das Berufungsgericht eine gegenüber dem Ersturteil kürzere Freiheitsstrafe ohne Bewährung verhängt (BayObLG NJW 1959, 1838; KMR- Brunner , § 331 Rn 45).auch dann vor, wenn das Berufungsgericht eine gegenüber dem Ersturteil kürzere Freiheitsstrafe ohne Bewährung verhängt (BayObLG NJW 1959, 1838; KMR-Brunner, § 331 Rn 45).
Rdn 338
Ausgenommen hiervon ist lediglich der Fall, dass die verhängte Freiheitsstrafe zum Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts bereits durch Anrechnung von Untersuchungshaft (§ 51 Abs. 1 StGB) vollständig verbüßt war (BGH StraFo 2008, 434; dazu: SK-StPO/Frisch, § 331 Rn 57 m. Fn 254).
Rdn 339
c) Hatte das AG von § 41 StGB Gebrauch gemacht und neben einer Freiheits- auch Geldstrafe verhängt, verletzt es das Verschlechterungsverbot, wenn das Berufungsgericht auf eine Gesamtfreiheitsstrafe erkennt, selbst wenn diese zur Bewährung ausgesetzt wird (OLG Hamburg MDR 1982, 776).
Rdn 340
d) Die Verhängung einer Freiheitsstrafe anstelle der erstinstanzlich ausgeurteilten Geldstrafe ist durch § 331 Abs. 1 ausgeschlossen (h.M., BeckOK StPO/Eschelbach, § 331 Rn 21; LR-Gössel, § 331 Rn 44; Meyer-Goßner/Schmitt, § 331 Rn 13). Dies gilt auch dann, wenn die – zur Bewährung ausgesetzte – Freiheitsstrafe im Fall des Bewährungswiderrufs niedriger wäre als eine Ersatzfreiheitsstrafe i.S. des § 43 StGB (KMR-Brunner, § 331 Rn 23).
Rdn 341
e) Aufgrund der geringeren Eingriffsintensität verletzt es das Verschlechterungsverbot grds. nicht, wenn das Berufungsgericht anstelle einer Freiheitsstrafe Geldstrafe verhängt. Ein Verstoß gegen § 331 Abs. 1 liegt allerdings dann vor, wenn die Anzahl der Tagessätze die Dauer der ursprünglich verhängten Freiheitsstrafe überschreitet (OLG Düsseldorf VRS 72, 202; OLG Hamm NStZ-RR 2008, 118).
Rdn 342
f) Ersetzt das Berufungsgericht die ursprünglich verhängte Freiheitsstrafe, wie z.B. eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, durch eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen und verhängt es daneben (erstmals) ein Fahrverbot von drei Monaten, wird das Verschlechterungsverbot dann nicht verletzt, wenn die Anzahl der Tagessätze und die Dauer des Fahrverbots zusammen die Höhe der früheren Freiheitsstrafe nicht übersteigen, wie im vorgenannten Beispiel (BayObLGSt 1977, 153).
Rdn 343
g) Hinsichtlich des Übergangs...