Dr. Harald Lemke-Küch, Dr. Michael Ch. Jakobs
Rdn 401
Literaturhinweise:
Artkämper/Herrmann/Jakobs/Kruse, Aufgabenfelder der Staatsanwaltschaft, Rn 859 ff.
Röttle/Wagner, Rn 269 ff.
Rdn 402
1. In § 293 EGStGB werden die Bundesländer ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, dass die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe durch freie, unentgeltliche und nicht erwerbswirtschaftlichen Zwecken dienende Arbeit abgewendet werden kann. Von dieser Möglichkeit haben mittlerweile alle Länder – sicherlich auch aufgrund der begrenzten Anzahl von Haftplätzen und der enormen Vollzugskosten – Gebrauch gemacht und entsprechende Tilgungsverordnungen erlassen.
Rdn 403
2. Der Verurteilte wird von dem Rechtspfleger spätestens bei der Ladung zum Antritt der Ersatzfreiheitsstrafe über die Möglichkeit der freien Arbeit und das Recht zur Benennung einer Beschäftigungsstelle unter Hinweis auf die Erforderlichkeit einer Antragstellung, für die ihm eine angemessene Frist einzuräumen ist, belehrt. Die Unterrichtung unterbleibt, wenn der Verurteilte unbekannten Aufenthalts ist. Nicht zulässig ist es, dem Verurteilten von vornherein die Wahl zwischen einer Zahlung der Geldstrafe und der Ableistung gemeinnütziger Arbeit zu lassen; die Möglichkeit "Schwitzen statt Sitzen" besteht ausschließlich zur Abwendung einer Ersatzfreiheitsstrafe.
☆ Die Vollstreckungsbehörde sollte dem Verurteilten – ggf. unter Einschaltung der Gerichtshilfe – bei der Vermittlung eines Beschäftigungsverhältnisses behilflich sein.Vollstreckungsbehörde sollte dem Verurteilten – ggf. unter Einschaltung der Gerichtshilfe – bei der Vermittlung eines Beschäftigungsverhältnisses behilflich sein.
Sofern keine geeignete Tätigkeit zur Verfügung steht und auch der Verurteilte keine geeignete Einrichtung benennt, besteht keine Verpflichtung der Vollstreckungsbehörde, von der Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe abzusehen.
Rdn 404
3. Durch einen fristgerechten Antrag des Verurteilten wird die weitere Vollstreckung gehemmt. Bei Stattgabe bestimmt der Rechtspfleger die Beschäftigungseinrichtung, die Art und Dauer der Tätigkeit sowie den Anrechnungsmaßstab. Während der Dauer der freien Arbeit darf die Ersatzfreiheitsstrafe nicht vollstreckt werden; die Vollstreckungsverjährung ruht (§ 79a Nr. 2a StGB).
☆ Der Antrag kann z.B. abgelehnt werden, wenn der Verurteilte durch früheres Verhalten seine fehlende Leistungsbereitschaft gezeigt hat (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 2014, 95 [Ls.]).
Rdn 405
4. Die Ablehnung der Abwendung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit ist im Verfahren nach §§ 459h, 462 Abs. 1 StPO anfechtbar (OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 213, 292; OLG Hamm NStZ-RR 2014, 95 [Ls]).
Rdn 406
5. Sofern der Verurteilte seine Arbeit nicht Antritt oder es zu schweren Arbeitsstörungen kommt, wird die Gestattung von der Vollstreckungsbehörde widerrufen und der Verurteilte zum Strafantritt geladen, wobei der Widerruf einer Begründung bedarf.
Rdn 407
Gegen den Widerruf kann der Verurteilte Einwendungen gem. § 459h StPO erheben; eine aufschiebende Wirkung entfaltet der Antrag an das Gericht jedoch nicht, so dass unmittelbar die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe erfolgen kann.
Rdn 408
6. Nur teilweise geleistete freie Arbeit wird auf die Strafe angerechnet, Krankheits- oder sonstige Fehlzeiten jedoch nicht. Hat der Verurteilte die freie Arbeit vollständig abgeleistet hat, ist die Ersatzfreiheitsstrafe (und die zugrunde liegende Geldstrafe) erledigt.
Siehe auch: → Erwachsene, Geldstrafen, Allgemeines, Teil B Rdn 366 m.w.N.; → Erwachsene, Geldstrafen, Ersatzfreiheitsstrafe, Allgemeines, Teil B Rdn 392.