Daniel Hagmann, Monika Oerder
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Der EGMR ist ein ständig tagendes Gericht mit Sitz in Straßburg. |
2. |
Der EGMR setzt sich aus einem Richter je Vertragsstaat zusammen. |
3. |
Der EGMR verfügt über eine Kanzlei (Art. 24 EMRK), der ein Kanzler vorsteht, dessen Aufgabe es ist, den Gerichtshof bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen. |
4. |
Das Präsidium des EGMR besteht aus dem Präsidenten und den Vizepräsidenten des Gerichtshofs sowie den Sektionspräsidenten. |
5. |
Die EMRK und ihre Verfahrensordnung differenzieren nach Art. 1 VerfO-EGMR zwischen den Begriffen Kammer und Sektion. |
6. |
Der EGMR tagt in Einzelrichterbesetzung, in Ausschüssen mit drei Richtern, in Kammern i.d.R. mit sieben Richtern und in einer Großen Kammer bestehend aus 17 Richtern und mindestens drei Ersatzrichtern. |
7. |
Die Mitwirkung eines Richters kann im Einzelfall ebenso wie generell ausgeschlossen werden. |
Rdn 105
Literaturhinweise:
Jacob, Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte – eine aktuelle Bestandsaufnahme von Organisation, Arbeitsweise und Entscheidungsfindung, DVBl 2015, 61
Weigend, Die Europäische Menschenrechtskonvention als deutsches Recht – Kollisionen und ihre Lösung, StV 2000, 384
Wittinger, Die Einlegung einer Individualbeschwerde vor dem EGMR, NJW 2001, 1238, s.a. die Hinw. bei → Menschenrechtsbeschwerde, Allgemeines, Teil C Rdn 2.
Rdn 106
1. Der EGMR sichert die Einhaltung der Verpflichtungen der Vertragsstaaten aus der EMRK, Art. 19 EMRK. Er ist ein ständig tagendes Gericht mit Sitz in Straßburg.
Rdn 107
2. Der EGMR setzt sich aus einem Richter je Vertragsstaat zusammen (Art. 20 EMRK). Der Richter, der für ein Land ernannt wird, muss nicht dessen Staatsangehörigkeit innehaben oder Europäer sein (s. etwa die Benennung des Kanadiers Ronald St. John Macdonald für Liechtenstein 1980 bis 1998). Die regelmäßige Amtszeit eines Richters, dessen Wiederwahl nicht zulässig ist, beträgt neun Jahre (Art. 23 Abs. 1 EMRK). Nach dem Ende seiner Amtszeit bleibt ein Richter in den Rechtssachen weiter tätig, an deren Prüfung der Begründetheit er teilgenommen hat (Art. 26 Abs. 3 VerfO-EGMR). Im Übrigen bleiben die Richter bis zum Amtsantritt ihrer Nachfolger im Amt (Art. 23 Abs. 2 S. 1 EMRK). Dies kann einen erheblichen Zeitraum bedeuten (s. etwa die Amtszeit des Richters Mehmet Zekia von 1961 bis zu seinem Tod 1984, nachdem Zypern keinen Nachfolger vorschlug). Dem EGMR steht ein Präsident vor, der vom Plenum des Gerichtshofs mit der Möglichkeit der Wiederwahl für drei Jahre gewählt wird (Art. 25 Buchst. a) EMRK).
Rdn 108
3. Der EGMR verfügt über eine Kanzlei (Art. 24 EMRK), der ein Kanzler vorsteht, dessen Aufgabe es ist, den Gerichtshof bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen (Art. 17 VerfO-EMRK). Aufgaben und Organisation der Kanzlei sind in Art. 15 bis 18b VerfO-EMRK normiert. Über den Kanzler wird die ein- und ausgehende Korrespondenz geleitet, er bewahrt das Archiv des Gerichtshofs und er erteilt Auskünfte, etwa gegenüber der Presse (Art. 17 Abs. 2 und 3 VerfO-EMRK). Die Kanzlei besteht aus so vielen Sektionskanzleien, wie der Gerichtshof Sektionen hat, sowie aus weiteren Stellen, soweit dies zur Arbeit des EGMR erforderlich ist (Art. 18 Abs. 1 VerfO-EMRK). Den einzelnen Sektionskanzleien stehen wiederum Sektionskanzler vor (Art. 18 Abs. 2 VerfO-EMRK). Der Kanzler untersteht dem Präsidenten des Gerichtshofs (Art. 17 Abs. 1 VerfO-EMRK). Der Kanzlei gehören auch die richterlichen Berichterstatter an, deren Aufgabe es ist, die Einzelrichter in deren Arbeit zu unterstützen (Art. 24 EMRK; Art. 18a VerfO-EMRK).
Rdn 109
4.a) Das Präsidium des EGMR besteht aus dem Präsidenten und den Vizepräsidenten des Gerichtshofs sowie den Sektionspräsidenten (Art. 9a Abs. 1a S. 1 VerfO-EGMR), das vom Kanzler und seinen Stellvertretern unterstützt wird (Art. 9a Abs. 2 VerfO-EGMR). Aufgabe des Präsidiums ist es, den Präsidenten des EGMR darin zu unterstützen, Arbeit und Verwaltung des Gerichtshofs zu leiten (Art. 9a Abs. 3 S. 1 VerfO-EGMR), und die Abstimmung zwischen den Sektionen zu erleichtern (Art. 9a Abs. 4 VerfO-EGMR). Das Präsidium kann überdies dem Plenum zu jeder Frage Bericht erstatten und dem Plenum Vorschläge unterbreiten (Art. 9a Abs. 6 VerfO-EGMR). Über jede Präsidiumssitzung wird ein Protokoll in beiden Gerichtssprachen aufgenommen und an die Richter des EGMR verteilt (Art. 9a Abs. 7 S. 1 VerfO-EGMR).
Rdn 110
b) Aufgabe der Vizepräsidenten ist zudem, den Präsidenten des EGMR zu unterstützen (Art. 10 S. 1 VerfO-EGMR), insbesondere ihn im Verhinderungsfall oder auf Ersuchen zu vertreten (Art. 10 S. 2 VerfO-EGMR). Die Vertretung des Präsidenten und der Vizepräsidenten des EGMR sowie der Sektions- und Kammerpräsidenten regeln Art. 11 f. VerfO-EGMR, wobei Art. 5 VerfO-EGMR Bestimmungen zur einzuhaltenden Rangfolge regelt, die sich im Einzelnen nach Dienst- und Lebensalter richtet. Der Präsident des Gerichtshofs nimmt an der Prüfung von Rechtssachen durch die Kammern nur dann teil, wenn er der für den betroffenen Vertragsstaat gewählte Richter ist ...