Detlef Burhoff, Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Nach Nr. 4100 Anm. 1 VV RVG bzw. Nr. 5100 Anm. 1 VV RVG entsteht die Grundgebühr für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall. |
2. |
Über die Formulierung "erstmalige Einarbeitung" hinaus enthält das RVG keine Regelungen zum (zusätzlichen) Abgeltungsbereich der Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG. |
3. |
Erfasst von der Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG/Nr. 5100 VV RVG wird insbesondere der Einarbeitungsaufwand. |
Rdn 222
Literaturhinweise:
Burhoff, Anwaltsvergütung für die Tätigkeit als Zeugenbeistand im Strafverfahren, RVGreport 2016, 122
ders., Die Vergütung des "Terminsvertreters" im Strafverfahren, RVGreport 2017, 242
ders., Kostenrechtliche Auswirkungen der Änderungen in der StPO 2017, RVGreport 2017, 402
ders., Die Grundgebühr im Straf- und Bußgeldverfahren – ein Update, AGS 2021, 443
Enders, Die Änderungen in der StPO 2017 und deren Auswirkungen auf die Vergütung des Verteidigers, JurBüro 2018, 564
Klüsener, Die Grundgebühr im Strafverfahren, JurBüro 2016, 561
ders., Vergütung des gem. § 68b Abs. 2 StPO bestellte Zeugenbeistandes, JurBüro 2018, 393
s. i.Ü. a. die Hinw. bei → Allgemeine Gebührenfragen, Allgemeines, Teil D Rdn 2, und bei → Grundgebühr, Allgemeines, Teil D Rdn 234.
Rdn 223
1. Nach Nr. 4100 Anm. 1 VV RVG bzw. Nr. 5100 Anm. 1 VV RVG entsteht die Grundgebühr "für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall …". Daraus folgt, dass der Grundgebühr ein eigener Abgeltungsbereich zugewiesen ist, der allerdings über die Formulierung "Einarbeitung" hinaus nicht ausdrücklich im Einzelnen festgelegt ist. Daran anknüpfend bestand in Rspr, und Lit. Streit in der Frage, wie die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und die jeweilige Verfahrensgebühr gegeneinander abzugrenzen sind (dazu Voraufl. Teil D Rn 219; BT-Drucks 15/1971, S. 222; Burhoff/Burhoff, RVG [3. Aufl.], Nr. 4100 Rn 19 ff.; Gerold/Schmidt/Burhoff, [20. Aufl.], VV 4100 Rn 10).
Rdn 224
Dieser Streit ist durch das 2. KostRMoG erledigt (zur Neuregelung Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 4100 VV Rn 25 ff.). Dieses hat die Anm. 1 zur Nr. 4100 VV RVG durch das Wort "neben" ergänzt und damit klargestellt, dass die Grundgebühr Nr. 4100/5100 VV RVG (immer) neben der jeweiligen Verfahrensgebühr entsteht (OLG Saarbrücken RVGreport 2015, 64 m. Anm. Burhoff StRR 2015, 117; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 7.6.2023 – 1 Ws 105/23, AGS 2023, 31; LG Amberg, Beschl. v. 21.1.2020 – 11 Qs 55/19, RVGreport 2020, 141; LG Chemnitz RVGreport 2015, 265; LG Duisburg RVGreport 2014, 427 m. Anm. Burhoff StRR 2014, 360; LG Oldenburg RVGreport 2014, 470 m. Anm. Burhoff u. m. Anm. Hansens zfs 2014, 648; LG Saarbrücken RVGreport 2015, 221; LG Wuppertal, Beschl. v. 23.1.2020 – 23 Qs 280/19, RVGreport 2020, 221; a.A. offenbar – allerdings ohne nähere Begründung – OLG Celle, Beschl. v. 26.1.2022 – 2 Ws 19/22, AGS 2022, 206; OLG Nürnberg StraFo 2015, 39; LG Saarbrücken RVGreport 2015, 182; AGS 2015, 379; nicht ganz eindeutig LG Siegen, Beschl. v. 19.2.2024 – 10 Qs 4/24). Es entsteht also mit der ersten Tätigkeit des Rechtsanwalts für den Mandanten in jedem (gerichtlichen) Verfahren eine Verfahrensgebühr als Ausgangsgebühr. Durch sie wird bereits die Information als Bestandteil des "Betreibens des Geschäfts" entgolten (die Formulierung in Vorbem. 4 Abs. 2 VV RVG – "einschließlich der Information"). Außerdem entsteht jeweils daneben auch eine Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG. Diese honoriert den zusätzlichen Aufwand, der für die erstmalige Einarbeitung anfällt, zusätzlich. Die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG hat also den "Charakter einer Zusatzgebühr, die den Rahmen der Verfahrensgebühr erweitert" (BR-Drucks 517/12, 439 = BT-Drucks 17/11471, 281). Sie ist damit im Grunde eine besondere Verfahrensgebühr, die das Betreiben des Geschäfts durch die besonderen Einarbeitungstätigkeiten des Rechtsanwalts honoriert.
Rdn 225
Das ändert aber nichts daran, dass die Grundgebühr einen eigenen Abgeltungsbereich hat und auch nach der Ergänzung durch das 2. KostRMoG behalten hat, was durch die Begründung zur Regelung durch das 2. KostRMoG noch deutlicher geworden ist, als es in der Vergangenheit schon war (zum Abgeltungsbereich der Grundgebühr Teil D Rdn 226 ff.). Das wiederum hat Auswirkungen auf die Bemessung der Grundgebühr und vor allem der daneben anfallenden jeweiligen Verfahrensgebühr (so auch N. Schneider/Thiel AGS 2012, 105, 108; N. Schneider/Thiel, § 3 Rn 1132; Gerold/Schmidt/Burhoff, VV 4100 Rn 9, Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 4100 VV Rn 27). Denn die Tätigkeiten, die vom Abgeltungsbereich der Grundgebühr erfasst werden, können bei der Bemessung der Verfahrensgebühr nicht (noch einmal) herangezogen werden. Das wird in der Praxis aber i.d.R. (nach wie vor) nur dann deutlich werden, wenn das Mandat noch in der Einarbeitungsphase endet. Denn dann wird im Zweifel der zusätzliche Aufwand durch die Einarbeitung, der von der Nr. 4100 VV RVG abgegolten wird, überwiegen und dazu führen, dass die Verfahrensgebühr unter Berücksichtigung der Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG geringer zu bemessen ist als bei eine...