Detlef Burhoff, Dipl.-Rpfl. Joachim Volpert
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Nach Nr. 4100 Anm. 1 VV RVG bzw. Nr. 5100 Anm. 1 VV RVG entsteht die Grundgebühr für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall. |
2. |
Über die Formulierung "erstmalige Einarbeitung" hinaus enthält das RVG keine Regelungen zum (zusätzlichen) Abgeltungsbereich der Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG. |
3. |
Erfasst von der Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG/Nr. 5100 VV RVG wird insbesondere der Einarbeitungsaufwand. |
Rdn 218
Literaturhinweise:
Burhoff, Die Grundgebühr in Straf- und Bußgeldverfahren, RVGreport 2009, 361
ders., Der Abgeltungsbereich der Grundgebühr in Straf- und Bußgeldverfahren, RENOpraxis 2011, 102
ders., Die Grundgebühr im Straf- und Bußgeldverfahren, RVGreport 2014, 42
ders., Grundgebühr: Wichtiges Basiswissen zur Grundgebühr, RVGprofessionell 2015, 16
ders., Grundgebühr honoriert Aufwand für ersten Einarbeitung (mit Checkliste), RVGprofessionell 2015, 35
s. i.Ü. a. die Hinw. bei → Allgemeine Gebührenfragen, Allgemeines, Teil D Rdn 2, und bei → Grundgebühr, Allgemeines, Teil D Rdn 229.
Rdn 219
1. Nach Nr. 4100 Anm. 1 VV RVG bzw. Nr. 5100 Anm. 1 VV RVG entsteht die Grundgebühr "für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall …". Daraus folgt, dass der Grundgebühr ein eigener Abgeltungsbereich zugewiesen ist, der allerdings über die Formulierung "Einarbeitung" hinaus nicht ausdrücklich im Einzelnen festgelegt ist. Daran anknüpfend bestand in Rspr, und Lit. Streit in der Frage, wie die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und die jeweilige Verfahrensgebühr gegeneinander abzugrenzen sind. Teilweise wurde davon ausgegangen (vgl. AG Tiergarten StRR 2009, 237; AnwKomm/N. Schneider VV Vorb. 4 Rn 22), dass für den Rechtsanwalt, der sich in einen Strafrechts- oder OWi-Fall einarbeitet, nicht nur die Grundgebühr Nr. 4100/5100 VV RVG, sondern zugleich immer auch die Verfahrensgebühr entsteht (s.a. noch N. Schneider RVGprofessionell 2005, 119). Teilweise wurde aber auch die Auffassung vertreten, dass die Grundgebühr keine reine "Garantie- bzw. Grundlagengebühr" sei, da ihr in der Gesetzesbegründung ein eigener Abgeltungsbereich zugewiesen worden ist (vgl. dazu BT-Drucks 15/1971, S. 222; s. Burhoff/Burhoff, RVG [3. Aufl.], Nr. 4100 Rn 19 ff.; Gerold/Schmidt/Burhoff, [20. Aufl.], VV 4100 Rn 10; so (zutreffend) auch KG RVGreport 2009, 186; OLG Köln RVGreport 2007, 425). Folge dieser Auffassung war, dass eine Verfahrensgebühr daher immer erst dann gewährt wurde, wenn der Abgeltungsbereich der Grundgebühr überschritten war.
☆ In der Praxis wird es allerdings nur in seltenen Ausnahmefällen nicht zum Entstehen der Verfahrensgebühr gekommen sein, da der Rechtsanwalt i.d.R. über den Abgeltungsbereich der Grundgebühr hinausgehende Tätigkeiten erbringt. Der Streit konnte allerdings auch im Rechtsmittelverfahren noch Bedeutung erlangen, wenn es beim erstmals in der Rechtsmittelinstanz beauftragten Rechtsanwalt zu einer frühzeitigen Mandatskündigung durch den Mandanten kam und der Rechtsanwalt zu dem Zeitpunkt noch keine den Abgeltungsbereich der Grundgebühr überschreitende Tätigkeiten erbracht hatte.Ausnahmefällen nicht zum Entstehen der Verfahrensgebühr gekommen sein, da der Rechtsanwalt i.d.R. über den Abgeltungsbereich der Grundgebühr hinausgehende Tätigkeiten erbringt. Der Streit konnte allerdings auch im Rechtsmittelverfahren noch Bedeutung erlangen, wenn es beim erstmals in der Rechtsmittelinstanz beauftragten Rechtsanwalt zu einer frühzeitigen Mandatskündigung durch den Mandanten kam und der Rechtsanwalt zu dem Zeitpunkt noch keine den Abgeltungsbereich der Grundgebühr überschreitende Tätigkeiten erbracht hatte.
Rdn 220
Dieser Streit ist (jetzt) durch das 2. KostRMoG erledigt (zur Neuregelung noch N. Schneider/Thiel AGS 2012, 105; Burhoff RVGreport 2012, 42; ders. StRR 2012, 14 = VRR 2012, 16; ders. VRR 2013, 287 = StRR 2013, 284; ders. RVGprofessionell Sonderheft 8/2013, 30; ders. RVGprofessionell 2012, 12; Burhoff/Burhoff Nr. 4100 VV Rn 25 ff.; AnwKomm-RVG/N. Schneider, VV 4100, 4101 Rn 31 ff.). Dieses hat die Anm. 1 zur Nr. 4100 VV RVG durch das das Wort "neben" ergänzt und damit klargestellt, dass die Grundgebühr Nr. 4100/5100 VV RVG (immer) neben der jeweiligen Verfahrensgebühr entsteht (OLG Saarbrücken RVGreport 2015, 64 m. Anm. Burhoff StRR 2015, 117; LG Chemnitz RVGreport 2015, 265; LG Duisburg RVGreport 2014, 427 m. Anm. Burhoff StRR 2014, 360; LG Oldenburg RVGreport 2014, 470 m. Anm. Burhoff u. m. Anm. Hansens zfs 2014, 648; LG Saarbrücken RVGreport 2015, 221 [Aufgabe der Rechtsprechung aus dem Beschl. v. 3.2.2015, StRR 2015, 119]; a.A. offenbar – allerdings ohne nähere Begründung OLG Nürnberg StraFo 2015, 39; LG Saarbrücken RVGreport 2015, 182; AGS 20915, 379). Es entsteht also mit der ersten Tätigkeit des Rechtsanwalts für den Mandanten in jedem (gerichtlichen) Verfahren eine Verfahrensgebühr als Ausgangsgebühr. Durch sie wird bereits die Information als Bestandteil des "Betreibens des Geschäfts" entgolten (vgl. die Formulierung in Vorbem. 4 Abs. 2 VV RVG – "einschließlich der Information"). Außerd...