Detlef Burhoff, Dr. Peter Kotz
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Jeder Strafverteidigung liegt ein Rechtsverhältnis zivilrechtlicher Art zwischen Verteidiger und Beschuldigtem zugrunde. |
2. |
Beim gewählten Verteidiger handelt es sich um einen Geschäftsbesorgungsvertrag, regelmäßig in Form eines Dienstleistungsvertrags. |
3. |
Beim bestellten Verteidiger handelt es sich um ein gesetzliches Schuldverhältnis. |
4. |
Nichts anderes gilt für Beistände und Vertreter von Verletzten und Zeugen im Strafverfahren. |
Rdn 1070
In allen Fällen, in denen ein Verteidiger als Beistand für den Beschuldigten tätig wird, liegt dem ein Rechtsverhältnis zivilrechtlicher Art zugrunde.
Rdn 1071
1.a) Für gewählte Verteidiger gem. § 138 Abs. 1 StPO gilt: Als Verteidiger können Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt gewählt werden. Immer dann, wenn ein Mandant sich einen Rechtsanwalt oder Hochschullehrer zum Beistand wählt und jener die Wahl annimmt, kommt ein Vertrag zwischen beiden zustande, der eine entgeltliche Geschäftsbesorgung höherer Art i.S.v. § 675 BGB zum Inhalt hat; i.d.R. in Form eines Anwaltsvertrags (MAH-Barton, § 41 Rn 7). Ganz überwiegend handelt es sich dabei um einen Dienstvertrag (§§ 675, 611 ff. BGB), ausnahmsweise kommt auch ein Werkvertrag in Betracht (§§ 631 ff. BGB), bspw. dann, wenn nur ein Auftrag erfolgt, die Aussichten eines Rechtsmittels zu prüfen (Müller-Gerteis, S. 30). Der Vertrag kommt dabei schon durch die Annahme des Angebots zustande, nicht erst durch Deklaration gegenüber dem Gericht; eine schriftliche Vollmacht ist nicht erforderlich (Meyer-Goßner/Schmitt, vor § 137 Rn 9), aber allemal üblich und sinnvoll. Durch den geschlossenen Anwaltsvertrag entstehen vertragliche und haftungsrechtliche Beziehungen zum Mandanten.
Rdn 1072
b) Für gewählte Verteidiger gem. § 138 Abs. 2 StPO und § 392 AO gilt: Das Verteidigungsverhältnis kommt aber dann zustande, wenn das Gericht dies genehmigt (zur Genehmigungspraxis vgl. Barton, Einführung, § 4 Rn 46). Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer können wie Vollverteidiger (gem. § 138 Abs. 1 StPO) zum Verteidiger gewählt werden, soweit die Finanzbehörde das Strafverfahren selbstständig durchführt (§ 392 Abs. 1, Hs. 1 und 2 AO). Sie können im Übrigen neben einem Vollverteidiger tätig werden (§ 392 Abs. 1, HS 3 AO); ferner können sie – mit Genehmigung des Gerichts – verteidigen (§ 392 Abs. 2 AO i.V.m. § 138 Abs. 2 StPO). Auch in diesen Fällen liegt stets ein Vertrag vor.
Rdn 1073
c) Referendare können mit Untervollmacht des gewählten Anwalts verteidigen (§ 139 StPO). Voraussetzung hierfür ist, dass sie seit mindestens 15 Monaten im Justizdienst tätig sind (also üblicherweise in der Anwalts- oder Wahlstation sind) und der der Mandant dem zustimmt. In diesen Fällen bleibt der Anwalt haftbar und hat den Referendar deshalb zu überwachen (MAH-Barton, § 41 Rn 8).
Rdn 1074
2. Zwischen dem in Fällen notwendiger Verteidigung vom Vorsitzenden bestellten Verteidiger (§§ 140 ff. StPO) und dem Beschuldigten entsteht kein Vertragsverhältnis. Es liegt in diesen Fällen nach ganz überwiegender Meinung vielmehr ein gesetzliches Schuldverhältnis vor (MAH-Barton, § 41 Rn 9; Burhoff, EV, Rn 3002).
Rdn 1075
3. Im Normalfall wird ein Verteidiger, wie es § 137 Abs. 1 StPO zum Ausdruck bringt, als Beistand gewählt; damit ist gemeint, dass jener an die Seite des Beschuldigten tritt, um die materielle Defension durchzuführen, also um Schutz- und Beistandsaufgaben zu leisten (Barton, Einführung, § 4 Rn 22; § 2 Rn 33 ff., 36 ff.). Ausnahmsweise kann der Verteidiger aber Vertreter des Beschuldigten werden; dies ist – in der HV – nur in den eng begrenzten Fällen der §§ 234, 350 Abs. 2, 387 Abs. 1, 411 Abs. 2 StPO möglich (Burhoff, EV, Rn 4050). Voraussetzung hierfür ist eine ausdrückliche Vertretungsvollmacht (vertiefend Barton, Einführung, § 5 Rn 27). Außerhalb der HV und von Vernehmungen ist eine Vertretung des Beschuldigten in der Erklärung gegenüber dem Gericht generell zulässig (LR-Becker, § 234 Rn 6). Der Umstand, dass der Verteidiger auch Vertreter des Beschuldigten ist, ändert im Innenverhältnis nichts daran, dass ein Anwaltsvertrag zwischen beiden besteht.
Rdn 1076
4.a) Auch Zeugen und Verletzte können sich im Strafverfahren eines Beistands bedienen. Das Gesetz sieht u.a. den Zeugenbeistand (§ 68b Abs. 1 StPO), den Anwalt des Privat- (§ 378 StPO), Neben- (§ 397 Abs. 2 S. 1 StPO) und Adhäsionsklägers (§ 404 Abs. 5 S. 2 StPO) vor, ferner den Beistand des Nebenklagebefugten und Verletzten (§§ 406f, 406g StPO), auch im Klageerzwingungsverfahren (§ 172 Abs. 3 S. 2 StPO verlangt dies für die Unterzeichnung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung). Neben Rechtsanwälten sind, wie es § 138 Abs. 3 StPO klarstellt, auch Rechtslehrer i.S.d. § 138 Abs. 1 StPO sowie andere Personen (allerdings nur mit Genehmigung des Gerichts gem. § 138 Abs. 2 StPO) wählbar. In allen diesen Fällen liegt ein Vertrag zwischen Beistand und Mand...